2.02 Kampf gegen das Schicksal
Remember Nothing
~ Besetzung ~
Lucy Lawless (Xena)Renee O'Connor (Gabrielle)
Aaron Devitt (Lyceus)
Robert Harte (Maphias)
Stephen Tozer (Mezentius)
Mark Ferguson (Krykus)
Slade Leef (Caputius)
Chris Graham (Sklavenboss)
Rebecca Kopacka (Clotho)
Micaela Daniel (Lachesis)
Elizabeth Pendergrast (Atropos)
Mariao Hohaia (Lakai)
Geoff Barlow (Ladenbesitzer)
Andrew McMillan (Torwache)
David Geary (2. Wache)
Allan Wilkins (Anführer der Wache)
Daniel Chilton (Junge)
Stab:
Drehbuch: Steven L. Sears and Chris Manheim
Musik: Joseph LoDuca
Schnitt: Jim Prior
Regie: Anson Williams
Erstausstrahlung:
USA 07.10.96
DEU 09.11.97
~ Zusammenfassung ~
Xena und Gabrielle besuchen den Tempel der Schicksalsgöttinnen. Xena will dort für ihren toten Bruder Lyceus beten. Als sie und Gabrielle den Tempel vor Angreifern schützen, tötet Xena aus Versehen einen jungen Mann, ein halbes Kind noch. Die Schicksalsgöttinnen gewähren ihr einen Wunsch: Vor lauter Entsetzen darüber, den Jungen getötet zu haben, wünscht sie sich, sie hätte niemals ein Schwert in die Hand genommen. Als sie den Tempel verlässt, ist Gabrielle verschwunden. Stattdessen kommt ihr ihr Bruder Lyceus, jetzt ein junger Mann, entgegen. Die Zeitlinie ist durch ihren Wunsch verändert worden. Doch nur solange, das lassen die Schicksalsgöttinnen sie wissen, bis sie wieder Blut vergießt. Dann wird die vorherige Zeitlinie wiederhergestellt. Xena betritt Amphipolis. Hier muss sie erfahren, dass sie erstens mit Maphias verlobt ist (die Heirat hat sie allerdings schon einige Male verschoben) und dass zweitens ihre Mutter nicht mehr lebt. Da Xena nie ein Schwert in die Hand genommen hat, besiegte der Kriegsherr Cortese einst Amphipolis. Ihre Mutter hat dies nie verkraftet. Am Sarg ihrer Mutter weint Xena, sagt, so habe sie sich wenigstens nie für ihre Tochter schämen müssen. Das Schlimmste aber sei, dass sie ihre Mutter und Gabrielle verloren habe. Trotzdem ist sie bereit, auf dieser Zeitlinie weiterzuleben. Doch dann geschieht etwas Unerwartetes: Da Xena den Sklavenhändler Mezentius und auch den Kriegsherren Krykus nie zur Rechenschaft gezogen hat, sind diese mächtiger als je zuvor. Die Zentauren als auch die Amazonen wurden besiegt und unterworfen. Was Xena aber noch mehr schockt, ist, dass sie Gabrielle als Sklavin des Mezentius wiedersieht. Natürlich konnte Xena auch die Frauen aus Gabrielles Heimatdorf nicht retten, und so gerieten diese in die Sklaverei. Und natürlich kennt Gabrielle Xena nicht. Sie ist eine zynische, verbitterte, mutlose junge Frau geworden, die Xena mit äußerstem Misstrauen begegnet. Doch auch auf dieser Zeitebene, unter diesen misslichen Umständen gelingt eine Annäherung. Xena befreit Gabrielle. Doch ihr Verlobter Maphias, dem es nicht gefällt, dass Xena und Lyceus Pläne gegen die Kriegsherren schmieden, liefert Gabrielle aus - mit dem Ergebnis, dass nicht nur diese, sondern auch Xena und ihr Bruder im Gefängnis landen. Maphias versucht seinen Fehler wiedergutzumachen und befreit die drei. Während des letzten Kampfes gegen Mezentius und Krykus weigert Xena sich immer noch, selbst in den Kampf einzugreifen - bis sie sieht, wie Gabrielle Mezentius kaltblütig tötet. Die Entscheidung ist gefallen - sie nimmt das Schwert, das Lyceus ihr zuwirft, tötet - und ist wieder in der "Gegenwart". Diesmal kann sie es vermeiden, den angreifenden Jungen zu töten, sagt ihm stattdessen, er solle diese zweite Chance nutzen. Gabrielle eilt herbei und wird zu ihrer Verwunderung spontan von Xena in den Arm genommen. "Wofür war das" fragt sie. "Du scheinst mir nicht du selbst zu sein." - "Ich bin mehr ich selbst als je zuvor", sagt Xena lächelnd.
~ Übersetzung Titel & Disclaimer ~
Remember Nothing - Keine Erinnerung
Kann man auch als Befehlsform lesen: Erinnere dich an nichts (mehr)
Disclaimer
Xena's memory was not damaged or.... what was I saying?
Xenas Gedächtnis wurde nicht beschädigt oder... was habe ich gerade gesagt?
~ Kommentar ~
Der Schmetterlingseffekt
Gäbe es eine Rangliste der Xena Folgen in denen die meisten Lebensmittel zu sehen sind, dann wäre diese Episode sicher dabei. Ständig wird hier gekocht, gegessen und gebechert. Besonders unangenehm die Darstellung der natürlichen Fleischherkunft, denn wer kauft schon gern ein gerupftes Huhn am Stück. Die meisten halten es wie Mezentius, der von einem Hund gelecktes Brot isst und aus einem bespuckten Becher trinkt: Besser man fragt nicht so genau nach wo das Zeug auf dem Teller eigentlich herkommt.
Zum ersten Mal treffen wir in dieser Episode auf die drei Schicksalsgöttinnen, die im Verlauf der Serie noch öfters auftreten. Bei den Griechen hießen sie Moiren, bei den Römern Parzen und ähnliche Gestalten gibt es auch in der germanischen Mythologie (Nornen). Die Moiren (Parzen) waren Klotho (Nona) die "Spinnerin", die den Lebensfaden webt, Lachesis (Decuma) die "Zuteilerin", die dessen Länge bestimmt und Atropos (Morta) die "Unabwendbare", die den Lebensfaden abschneidet und den Tod bringt. Ganz so unabwendbar war das Schicksal bei den Griechen aber auch wieder nicht, denn zweimal wurden die Moiren überlistet. Bei der Geburt des Herakles bzw. Herkules durch Alkmene, wollte Hera mit den Moiren die Geburt hinauszögern. Doch Galanthis überlistete die Moiren, so dass der Geburt nichts mehr im Wege stand. Ein zweites Mal wurden die Moiren von Apollon überlistet, der sie erstmal mit Wein abfüllte bis die volltrunkenen Moiren die Lebensdauer seines Freundes Admetos verdoppelten. In den meisten Darstellungen sind die Schicksalsgöttinnen drei alte Frauen. Die Darstellung bei Xena als Mädchen, Mutter und die Alte (im Englischen Maiden, Mother, Crone) kommt als dreifaltige Göttin (Triple Goddess) eher aus der New-Age Ecke und dem Neopaganismus, der sich auf angebliche vorchristliche heidnische Vorstellungen beruft. Das hat dann mehr mit dem Lebenszyklus im Allgemeinen und weniger mit einem Prädeterminismus (Vorausbestimmung) zu tun. So ganz passt das Schicksalsthema, das Lyceus mit seinem "Don't fight destiny!" zum Ausdruck bringt eh nicht hierher, denn die Serien Xena und Hercules propagieren bekanntlich immer die individuelle Entscheidungsfreiheit und die Auflehnung gegen die Götter. So sind die Schicksalsgöttinnen mit ihrem netten Glitzer Make-up eher als folkloristische Staffage zu betrachten.
Episoden die in einer alternative Realität spielen, gibt es in vielen Serien oder Filmen, ob als Traum, magischer Zauber oder Zeitreise. Als klassische Vorlage für die Episode kann auch der Film "Ist das Leben nicht schön (1946)" gesehen werden, indem ein Engel dem depressiven, selbstmordgefährdeten George Bailey zeigt, wie negativ das Leben in der Stadt ohne ihn geworden wäre. Allerdings sind in unserem Fall die Unterschiede eher gradueller als fundamentaler Natur. Offensichtlich hat Xenas Entscheidung gegen Cortese nicht zum Schwert zu greifen keinen nachhaltig friedensstiftenden Erfolg, Es gibt sozusagen einen "Schmetterlingseffekt", d.h. kleine Änderungen können ungewollte Folgen nach sich ziehen. Wir verweisen zur näheren Erläuterung auf den gleichnamigen Film "The Butterfly Effect (2004)". In unserem Fall findet der tödliche Kampf mit dem Jungen zwar nicht statt und Bruder Lyceus ist auch am Leben, dafür hat es aber Xenas Mutter Cyrene und die gesammelten Amazonen erwischt. Dumm gelaufen kann man da nur sagen. Gabrielle ist in der Sklaverei gelandet, wobei sich ihre Tätigkeit nicht sonderlich von den üblichen Arbeitsbedingungen im Gaststättengewerbe unterscheidet. Auch Lyceus macht bei der Bewirtschaftung der mütterlichen Schenke nicht anderes als Lebensmittel rumtragen. Kein Wunder dass die beiden sofort voneinander begeistert sind. Gabrielle sammelt wieder ihren "Jungen der Woche" und mit Lyceus ist sie gleich Mitglied der Familie Xena. Bei der ersten Begegnung der beiden ("It's too good to be true.") betrachtet Xena Gabrielle und Lyceus ganz versonnen. Wieder ein Hinweis, dass Gabrielle in der "richtige Realität" der Familienersatz Xenas ist und damit knüpft die Folge an die entsprechenden Aussagen in den Folgen X1.13 Die Erfüllung eines Traums und X1.20 Starke Bande an, in denen Gabrielle auch als "Schwester" und "Familie" bezeichnet wurde. Ebenso knüpft die Episode an das Thema Gabrielles Blutunschuld in X1.03 Gefährliche Träume an, in der Xena verhindern musste, dass Gabrielle Blut vergießt. Hier tötet Gabrielle Mezentius, der eigentlich in X1.05 Doppeltes Spiel von Xena für den Mord an Marcus getötet wurde. Das wäre dann eine Art Rollentausch, denn in der alternativen Realität wäre Xena die "Blutunschuldige" und Gabrielle würde nun den dunklen Weg der Kriegerin gehen. Während Xena am Anfang der Episode beim Anblick ihres blutigen Schwerts Gewissensbisse bekommt, zeigt die symmetrische Szene bei Gabrielle, dass diese wohl eher Gefallen an der Macht des Schwertes finden wird. Dies ist der Punkt an dem Xena beschließt, die "Blutschuld" auf sich zu nehmen, um Gabrielle diesen Leidensweg zu ersparen und wieder in ihre ursprüngliche Realität zurückzukehren. Das Leid des anderen zu tragen spielt schon ein bisschen in die christliche Opfermythologie. Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Georg Bailey, der eine Art Heiliger ist, bleibt bei Xena die zweideutige Moral aber erhalten, denn sie muss ihren blutigen Weg weitergehen und kann im Gegensatz zu dem Jungen ihre zweite Chance nicht nutzen. Konsequenterweise hätte bei ihrer Rückkehr auch der Junge wieder tot sein müssen. So weit wollten die Autoren ihre Heldin nicht gehen lassen und haben einen Trick aus den klassischen Zeitreisegeschichten wie "Zurück in die Zukunft (1985)" genommen und die gute Xena "kurz vorher" zurückkommen lassen, so dass fernsehgerecht der blonde Jüngling nicht den Kriegstod sterben muss sondern geläutert von dannen zieht. Das und eine kleine Selbstaufmunterung ist dann auch das Einzige was der Ausflug in ein anderes Schicksal am Ende gebracht hat. Immerhin.
~ Bildkommentar ~
Remember Nothing heißt die Folge, doch der wahre Fan remembert everthing, insbesondere dass Gabrielles Rock sowie die gesamte Eingangsszene aus den Anfängen der ersten Staffel stammen. Neu dafür ist der Mann mit der Maske, der einarmige Handstände ausführen kann. Capoeira nennt man diesen brasilianische Kampftanz, deshalb heißt der Mann auch Caputius, und woher er den gelernt hat wäre eine interessante Frage gewesen. Schade dass er wieder so schnell in Vergessenheit gerät.
Da hat die Erziehung versagt. Die Kids suchen das Abenteuer nicht bei Killerspielen sondern gleich beim erstbesten Kriegsherrn. Doch bei der Betrachtung ihres blutigen Schwertes wird auch Xena klar, dass umnieten und hinterher fragen nicht immer die angemessene Strategie ist. Auch Gabrielle ist der Meinung, dass eine ordentliche Tracht Prügel gereicht hätte.
Die drei Parzen stellte sich Hans Baldung Grien 1513 alt und nackig vor. Das ist nicht mehr fernsehgerecht und so wurden sie zum einen bedeckt und zum anderen verjüngt. Zumindest zwei von ihnen, die auch noch durch partygerechtes Make-up glänzen. Da kann man das Schicksal schon leichter ertragen als im finsteren Mittelalter.
Vergleicht man Xenas kecke Rüstung mit diesem Fummel, dann ist schon jetzt klar, dass sich zumindest modetechnisch der Griff zur Waffe schon gelohnt hatte. Da hätte der "zufällig" durch die Landschaft wandelnde Lyceus bestimmt noch verdutzter geguckt.
Mit "Remeber Nothing" ist dem Zuschauer nicht geholfen, denn die Folge verlangt einiges an Erinnerungsvermögen. Mezentius aus X1.05 Doppeltes Spiel und Krykus aus der Amazonenfolge X1.10 Die Amazonenprinzessin geben sich die Ehre. Sinnloses Sklavenauspeitschen als Ausdruck persönlicher Führungsstärke scheint ihr neues Hobby zu sein.
Xenas Verlobter Maphias sieht nicht nur nasenmäßig deppert aus, er benimmt sich auch so. Wo Xena den aufgegabelt hat bleibt ein ungelöstes Rätsel. Trotzdem verdient er unser Mitgefühl, denn wer schon mal frühmorgens beim Bäcker war, weiß wie nervig die Leute vor einem sind, die immer für eine ganze Armee einkaufen und nur noch Krümel übrig lassen.
Ja, dass wäre doch eine beziehungstechnische Alternative gewesen. Leider haben Gabrielles Männer immer die Angewohnheit frühzeitig zu verscheiden. Ob in dieser oder in der anderen Realität.
Gabrielle genießt Hafterleichterung und darf im Luxuskäfig sitzen, wohingegen die anderen stehen müssen. Der unbekannte Warlord Caputius hat die ganze Obstschale vor sich, wo er doch durch seine Maske eh nicht viel essen kann.
Gabrielle rächt sich für die unwürdigen Arbeitsbedingungen und Mezentius stirbt drei Folgen früher als in der ersten Staffel. Im Gegensatz zu Xena hat Gabrielle bei der Betrachtung des blutigen Schwerts keine Gewissensbisse, der Zuschauer diesmal auch nicht.
Xena ist wieder in ihrem Leben angekommen und erteilt dem Jungen die Lektion nie wieder zu töten. Nachdem sie kurz vorher selbst beschlossen hatte, dass töten in angemessenem Umfang, z.B. zur Bewahrung des seelischen Gleichgewichts der Freundin, nicht grundsätzlich abzulehnen ist. Die Erziehung durch persönliche Vorbildfunktion ist nicht unbedingt Xenas Stärke. Dafür hat sie ein phänomenales Gedächtnis und erinnert sie sich trotz des Episodentitels an alles.
~ Trivia ~
- Robert Harte (Maphias) hatte schon in X1.02 Kampf um Frieden eine kleine Nebenrolle.
- Rebecka Kopacka (Clotho) spielt in X2.12 Die Macht des Schicksals, Teil 1 und H4.14 Armageddon Teil 2 die junge Callisto.
- Wer wissen will, wie Slade Leef (Caputius) ohne Maske aussieht, muss sich noch bis Episode X2.12 Die Macht des Schicksals, Teil 1 gedulden, dort spielt er den Barbarenführer Sitacles, na sagen wir "fast" ohne Maske.