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2.20 Der Preis

The Price

folge220

~ Besetzung ~

Lucy Lawless (Xena)
Renee O'Connor (Gabrielle)
Paul Glover (Menticles)
Charles Mesure (Mercer)
Tamati Rice (Garel)
Mark Perry (Galipan)
Jason Hoyte (Athener #1)
Bob Johnson (Athener #2)
Brend Gilbert (Etrunkener Athener)
Philip Jones (Verwundeter Athener)
Allen O'Halloran (Ermüdeter/Aufgeschlitzter Athener)
Justin Curry (G'Kug)
Sam Williams (Hordemaster)

Stab:
Drehbuch: Steven L. Sears
Musik: Joseph LoDuca
Schnitt: Jim Prior
Regie: Oley Sassone

Erstausstrahlung:
USA 28.04.97
DEU 08.03.98

~ Zusammenfassung ~

Es fängt alles ganz idyllisch an - Xena und Gabrielle beim gemeinsamen Fischen in einem völlig unberührten Landstrich. Doch dann greift völlig unerwartet ein verwundeter und halb ertrunkener Soldat nach Gabrielles Hand: Ein Opfer der "Horde", eines von vielen, die wir im weiteren Verlauf noch sehen werden. Beide Frauen retten sich in einen Stützpunkt athenischer Elitetruppen, der von der Horde belagert wird. Als die völlig demoralisierten Soldaten Xena erkennen, bitten sie sie um ihre Hilfe gegen die Horde und die Kriegerin willigt ein. Aber ihre Methoden und Taktiken in der scheinbar hoffnungslosen Auseinandersetzung mit der unheimlichen Macht vor den Toren der Garnison sind so brutal und gnadenlos, dass Gabrielle ihre Freundin kaum wiedererkennt. Sie weigert sich, Xenas immer barbarischer werdenden Kampf um Leben und Tod zu akzeptieren und verlässt schließlich das Lager und riskiert ihr Leben, um den Verwundeten beider Seiten zu helfen. Die Horde deutet ihr Verhalten überraschend als offiziellen Waffenstillstand zur Bergung der Verwundeten. Das bringt Xena zur Besinnung: Auch die Horde verfügt über einen "Code"; erkennbare Regeln, die das Verhalten in Kriegszeiten regeln. Auf der Basis dieser Regeln fordert Xena den Anführer der Horde zu einem Zweikampf auf, den die Kriegerin gewinnt. Die Horde gibt sich geschlagen und tritt den Rückzug an - bis zum nächsten Mal....

~ Übersetzung Titel & Disclaimer ~

The Price - Der Preis

Disclaimer

To show sympathy for the Horde, "kaltaka" was only served upon request during the production of this motion picture.

Um Rücksicht auf die Horde zu nehmen, wurde "Kaltaka" während der Produktion dieses Films nur auf ausdrücklichen Wunsch serviert.

~ Kommentar ~

1. Die wilde Horde und ihre Vorfahren
Krieg herrscht bei Xena eigentlich ständig. Schließlich muss in Actionserien gekämpft werden, sonst ist der Zuschauer enttäuscht. Diese Episode weicht allerdings vom gängigen Schema ab. Die Heldin Xena bekommt unangenehme Seiten und dank Gabrielle wird der Krieg zwar nicht friedlich gelöst, aber immerhin auf ein Duell reduziert, was die Zahl der Leichen doch merklich reduziert.
In der Einleitung der Episode, d.h. der Flussszene und der Kanufahrt, fallen dem filmsüchtigen Dauerseher sofort zwei Filme ein. Als erstes "Apocalypse Now (1979)" mit seiner Bootsfahrt, der Dschungelatmosphäre und dem am Ufer lauernden Feind, und "Der letzte Mohikaner (1992)" mit seine Kanuverfolgungsjagd und dem Wasserfall. "Der letzte Mohikaner" ist auch bekannt für seine spektakulären Naturaufnahmen, von denen sich der Regisseur der Episode wohl inspirieren ließ, auch wenn in einer Fernsehserie die kinematographischen Möglichkeiten eher bescheiden sind.
Im Hauptteil der Episode, der Verteidigung des Forts, sieht man eine ähnliche Konstellation wie in dem britischen Monumentalfilm "Zulu (1964)", der auf einer historischen Schlacht aus dem Zulukrieg im Jahr 1889 beruht. In dem Film verteidigt sich eine kleine britische Einheit, die in einer Missionsstation ein Hospital und Vorratslager hat, gegen eine Übermacht von 4000 Zulukriegern. Am Ende ziehen sich die Zulus nach verlustreichen Kämpfen zurück und geben ihrem Feind eine Ehrerbietung für seinen heroischen Verteidigungskampf. In dem Film müssen auch die Verwundeten mitkämpfen, wobei ein "Simulant" sich durch besonderen Heldenmut auszeichnet, nachdem er quasi vom Ernst der Lage überzeugt wurde. Vorbild für diesen Film war wiederum der Western "Alamo (1969)" von John Wayne. Dort sind es die Texaner, die sich im Unabhängigkeitskrieg von 1835/36 in der Missionsstation Alamo gegen eine Übermacht von mehren tausend Mexikaner verteidigen. Sie sterben allesamt den Heldentod, nicht ohne von den Mexikanern für ihre Tapferkeit geehrt und von ihren texanischen Kollegen für ihre Vorbildfunktion gerühmt zu werden. Die Filme "Alamo" und "Zulu" sieht man heute kaum noch, zumindest nicht im deutschen Fernsehen, sie gelten bei uns als reaktionär, rassistisch und kriegsverherrlichend. Dieses Urteil ist vielleicht übertrieben, wie es bei der deutschen Filmkritik so üblich ist, zeigt jedoch, dass diese Art des Heldentums nicht ganz unumstritten ist.
Die Grundkonstellation des Zulu/Alamo finden wir auch bei Xena wieder. Es ist ebenfalls ein kleines Fort, welches gegen eine Übermacht von Wilden verteidigt werden muss, und das Heroentum der Verteidiger findet seine Anerkennung durch den Feind. Bei Xena akzeptiert die Horde den Ausgang des Duells und zieht sich zurück. Sie hätten ja auch schnell einen neuen Führer bestimmen und weiterkämpfen können, so was kennt man aus der Politik, wenn eine Wahl mal wieder nicht das gewünschte Ergebnis liefert.
2. Kanonenfutter
In ihrem Freund-Feind Schema arbeiten viele Filme mit einer Mischung aus Individualisierung und Anonymisierung. Der Freund wird als Individuum gezeigt, der Feind als anonyme Masse. Manchmal ist da gar nicht so offensichtlich, deshalb, und weil heute Filmzitate-Tag ist, erwähnen wir eine bekannte Szene, in der dieses Stilmittel in reinster Form auftritt: die Anfangsszene von "Krieg der Sterne (1979)". Dort kapern die imperialen Sturmtruppen ein Rebellenschiff. Die Rebellen haben eine Uniform an, die etwas nach Freizeitkleidung aussieht, man sieht die Gesichter der Verteidiger in deren Augen sich Angst aber auch Entschlossenheit spiegelt. Wenn einer von den Rebellen stirbt hat der Zuschauer den Eindruck, hier stirbt ein Individuum, ein Mensch, ein Held. Die Sturmtruppen hingegen sind in klinisches Weiß gehüllt. Man sieht keine Gesichter, sie wirken wie am Fließband produziert und wenn einer stirbt, dann fühlt der Zuschauer gar nichts, weil nur eine seelenlose Figur umgefallen ist. In "Zulu" ist es ähnlich. Die Briten sind Individuen, sie werden mit all ihren Marotten gezeigt und bekommen so eine Persönlichkeit. Die Zulus hingegen sind "ein Haufen Neger", die man kaum auseinanderhalten kann und die außer umfallen und ab und zu einen Speer werfen nichts machen.
Hier in Xena werden am Anfang genau die gleichen Mittel benutzt. Als erste sehen wir von den beiden Parteien einen verwundeten Athener, ein armes Individuum. Auch die Athener im Fort werden als Personen charakterisiert, vom verzweifelten Soldaten bis zum führungsschwachen Kommandoduo. Die Horde dagegen besteht aus "einem Haufen Wilder", die so bemalt sind, dass man sie kaum auseinanderhalten kann. Außer unartikulierte Lauten geben sie nichts von sich, da sind Verhandlungen natürlich sinnlos. Sie erscheinen nicht als Menschen mit tieferen Emotionen, sondern als "Zombies" die man reihenweise umnieten muss um nicht selbst gefressen zu werden. Dementsprechend braucht man sich bei der Tötung des Feindes keine sonderlichen moralischen Gedanken zu machen.
Mit dieser Anonymisierung des Feindes geht eine Dämonisierung einher, d.h. der Feind wird als besonders gnadenlos gezeigt. In den meisten Filmen sieht man dazu irgendeine unmenschliche Handlung, beispielsweise die Tötung eines Wehrlosen, irgendeinen Folterakt oder sonst eine grausamen Tat. Hier stürzt die Horde in eine friedliche Fischfangszene, sonst Symbol der Ruhe und Entspannung (außer für die Fische). Dann kommt die "Apokalypse Now" Szenerie mit den gekreuzigten Gefangenen. Außerdem hat die Horde überall Totenschädel als Deko, entweder als Kopfschmuck oder als Kanuverzierung. Damit wird "im Subtext" suggeriert, dass sie Kannibalen sind, die sich mit ihren grausigen Trophäen auch noch schmücken.
So gängig diese Darstellung in Filmen (und manchmal auch in der Realpolitik) ist, so langweilig kann das für den Zuschauer werden. Nach einer Weile macht es einem nichts mehr aus wenn die Feinde wie die Fliegen sterben, denn eine Fliege mehr oder weniger juckt keinen mehr. Deshalb brauchen die meisten Filme dann doch wieder ein Individuum, auf das sich unser Hass richten kann. In dem oben genannten Krieg der Sterne ist es Darth Vader, der in seiner schwarzen Uniform aus seinen weißen Truppen herausragt, bei den anderen Filmen meist ein General oder ein andere Anführer. Während bei den Freunden die Individualität dazu dient, ihre Menschlichkeit zu zeigen und Mitgefühl zu wecken, ist der einzige Zweck der Individualität des Bösewichts, ein gutes Feindbild abzugeben. Und da hat unsere Episode das erste Problem, wie auch im Forum schon bemerkt wurde, denn der Bösewicht der Woche, oder genauer, der Anführer der Horde, fällt reichlich flach aus. Wer nicht ganz genau hinschaut, kann den Hordenchef kaum von seinem Mannen unterscheiden. Zwar hat man ihm als Zeichen seiner Führerschaft besondere Waffen gegeben, Kama heißen diese Sicheln aus der Kobudo Familie, aber so bemalt wie die Jungs alle sind, ist der Unterschied kaum erkennbar. Einige Zuschauer merken wahrscheinlich bis zum Schlussduell gar nicht, dass die Horde überhaupt einen Anführer hat. Deshalb gehört der Endkampf eher zu den schwächeren Passagen der Folge. Vielleicht hat die Zeit einer Episode nicht ausgereicht um alle Handlungsideen auszuarbeiten, denn das Material hätte mit nur wenigen Erweiterungen gut für eine Doppelfolge gereicht.
3. Kriegslust vs. Gewissen oder Notwendigkeit vs. Naivität?
Nach unserer langen Vorrede über Freund- und Feindbilder, kommen wir zum Kern der Episode. Sie durchbricht das übliche Schema, wie es in den genannten Filmen verwendet wird. Als erstes werden Eigenschafte, die üblicherweise dem Bösen vorbehalten sind, auf Xena übertragen. Dazu gehören besonders ihr Schrei "Let's kill them all", ihre unbarmherzige Haltung den Verwundeten gegenüber, die Folterung des Gefangenen und das "in den Rücken schießen", wie es im Westernjargon heißen würde. Damit reagiert der Zuschauer genauso irritiert wie Gabrielle auf die Wandlung der Heldin. Das ist ganz geschickt gemacht, denn der Schauplatz wird plötzlich vom Verteidigungswall ins Lazarett verlegt. Damit sieht der Zuschauer Xena durch Gabrielles Augen und folgt damit ihrer Sicht auf die "dunkle" Xena. Gleichzeitig werden Eigenschaften, die üblicherweise dem Freund-Schema entsprechen auf die Horde übertragen. Sie wird individualisiert in dem Gefangenen und dem Verwundeten, der von Gabrielle Wasser bekommt. Der Gefangene erscheint als hilfloses Wesen, dass von Xena gequält wird. Es ist das einzige Mal in der Serie, dass "the Pinch" als das gezeigt wird was es nach gängigem Rechtsverständnis ist, nämlich eine Foltermethode. Ansonsten wird es als praktische Methode Gefangene zum Reden zu bringen dargestellt. Damit bekommt auch der Feind ein "menschliches" Gesicht. Diese Vermenschlichung der wilden Horde wird weitegetrieben durch die Übersetzungsleistung Gabrielles, die "Kaltaka" als Wort für Wasser identifiziert und nicht für einen ein Kriegsgott, wie einer der Athener unterstellt. Wasser hat auch in der christlichen Religion eine starke Symbolkraft, so wird die Jungfrau Maria manchmal mit einer Springquelle assoziiert. Wenn Gabrielle sich auf das Schlachtfeld wagt, um einem Krieger der Horde Wasser zu geben, dann geht das im Kontext des Xena-Gabrielle Streits schon über das bloße Durstlöschen hinaus und bekommt einen religiösen Charakter. Christliche Symbolik findet sich öfters in Xena. Deshalb muss man Gabrielle nicht gleich zur Florence Nightingale aus Poteidaia stilisieren, aber es geht schon in diese Richtung. Mehr realpolitisch gesehen wird durch die "Kaltaka" Übersetzung auch impliziert, dass es tatsächlich einen nachvollziehbaren Grund für den Kampf gibt. Der Krieg ist nicht nur auf die Aggression der Horde zurückzuführen, sondern es geht um Wasser und damit um ein Grundnahrungsmittel. Damit wird aus dem ideologischen Konflikt ein Ressourcenkonflikt und Ressourcenkonflikte lassen sich immer einfacher lösen, z.B. durch eine faire Aufteilung der Vorräte. Wahrscheinlich war es den Autoren aber zu friedlich, den Krieg durch ein Runde Wasser für alle enden zu lassen. Das Gesetz der Serie erfordert immer ein Duell, sonst ist der Zuschauer enttäuscht. Vielleicht wäre den Autoren dann auch Xena zu schlecht und Gabrielle zu gut erschienen. Gerade in amerikanischen Foren gibt es einige Fans, die Xenas Handlungsweise gar nicht böse finden, sondern "den Umständen entsprechend" angemessen. Gabrielle erscheint in dieser Interpretation als Naivling, der nur großes Glück hatte, dass er die dämliche Wasseraktion überlebt hat. Das erinnert an die transatlantischen Debatten um Kampfeinsätzen in Krisenregionen, bei denen es auch immer darum geht ob die friedliche Konfliktlösung eine tatsächliche Option ist, oder ob die Antikriegsfraktion sich nur nicht die Finger schmutzig machen will und lieber zusieht bis eine Seite die andere völlig ausgerottet hat. Durch die Duelllösung hat die Episode einen Mittelweg für die Zuschauer gefunden. Das große Abschlachten wird dank Gabrielle verhindert, das kleine Duell dank Xena gewonnen. So geht es in der Episode weniger um Krieg oder Frieden, sondern eher um das Thema: Wenn schon Kampf, dann nach einigermaßen humanen Grundsätzen. Und das genau ist das Motto der Genfer Konventionen, für die die Episode ein nettes Anschauungsbeispiel bietet.
4. Sei menschlich auch im Kriege
Die Genfer Abkommen oder Genfer Konventionen, sind internationale Verträge die Bestandteile des humanitären Völkerrechts sind, welches in internationalen bewaffneten Konflikten den Schutz von Menschen (und deren Umwelt) regelt (ius in bello = Recht im Kriege). Das erste Genfer Abkommen wurde 1864 geschlossen und ist eng mit der Entwicklung des Roten Kreuzes verbunden. Das Schutzsymbol rotes Kreuz auf weißem Grund kommt zu Ehren der Schweiz durch die Umkehrung der eidgenössischen Flagge (weißes Kreis auf rotem Grund). Das nur als nette Anekdote zur Weiterbildung. Nach dem II. Weltkrieg wurden 1949 die Abkommen erneuert und wesentlich erweitert. Die Verträge sind recht komplex, insbesondere wann und wem gegenüber sie überhaupt gültig sind, aber die ganzen feinsinnigen rechtlichen Details sind hier nicht so relevant. Wie alle internationalen Verträge sind auch die Genfer Abkommen schwer zu lesen, umständlich formuliert und manchmal nicht ganz frei von unfreiwilliger Komik, wenn weitschweifig irgendwelche Banalitäten umschrieben werden. Uns interessiert auch nicht die Frage ob die Verträge überhaupt das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden, oder ob der Krieg sich nicht gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass er solche humanitären Überlegungen außen vor lässt. Es geht uns hier nur um die Prinzipien, die auch in der Xena Folge zum Ausdruck gebracht werden. Um zu zeigen, wie sich die Ethik der Genfer Abkommen mit denen von Gabrielle deckt, zitieren wir hier vier Beispiele, die für die Episode relevant sind, je zwei Artikel aus der I. und aus der III. Genfer Konvention:
Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde
(I. Genfer Abkommen von 1949)

Artikel 12
Die Mitglieder der Streitkräfte und die sonstigen im folgenden Artikel bezeichneten Personen, die verwundet oder krank sind, werden unter allen Umständen geschont und geschützt. Sie werden durch die am Konflikt beteiligte Partei, in deren Händen sie sich befinden, mit Menschlichkeit behandelt und gepflegt, ohne jede auf Geschlecht, Rasse, Nationalität, Religion, politischer Meinung oder irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungsmerkmal beruhende Benachteiligung. Streng verboten ist es, ihr Leben und ihre Person anzugreifen, insbesondere sie umzubringen oder auszurotten, sie zu foltern, an ihnen biologische Versuche vorzunehmen, sie vorsätzlich ohne ärztliche Hilfe oder Pflege zu lassen oder sie eigens dazu geschaffenen Ansteckungs- oder Infektionsgefahren auszusetzen.
Das ist ein Rundumartikel der für alle Verwundeten gilt, egal welcher Partei, also natürlich auch für die eigenen Soldaten. Und da steht es liebe Xena, "vorsätzlich ohne ärztliche Hilfe oder Pflege zu lassen" ist verboten.
Artikel 15
Die am Konflikt beteiligten Parteien treffen jederzeit und besonders nach einem Kampf unverzüglich alle zu Gebote stehenden Maßnahmen, um die Verwundeten und Kranken zu suchen und zu bergen, sie vor Beraubung und Misshandlung zu schützen und ihnen die notwendige Pflege zu sichern, sowie um die Gefallenen zu suchen und deren Ausplünderung zu verhindern.
Wenn immer es die Umstände gestatten, werden ein Waffenstillstand, eine Feuerpause oder örtliche Abmachungen vereinbart, um die Bergung, den Austausch und den Abtransport der auf dem Schlachtfeld gebliebenen Verwundeten zu ermöglichen.
Diesen Artikel hat Gabrielle offenbar gelesen, denn genau das machen die beiden Parteien nach ihrer Wasser für alle Aktion.
Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen
[III. Genfer Abkommen von 1949]

Artikel 17
Jeder Kriegsgefangene ist auf Befragen nur verpflichtet, seinen Namen, seine Vornamen, seinen Dienstgrad, sein Geburtsdatum und seine Matrikelnummer zu nennen oder, wenn diese fehlt, eine andere gleichwertige Angabe zu machen.
...
Zur Erlangung irgendwelcher Auskünfte dürfen die Kriegsgefangenen weder körperlichen noch seelischen Folterungen ausgesetzt, noch darf irgendein anderer Zwang auf sie ausgeübt werden. Die Kriegsgefangenen, die eine Auskunft verweigern, dürfen weder bedroht noch beleidigt noch Unannehmlichkeiten oder Nachteilen irgendwelcher Art ausgesetzt werden.
Damit scheidet Xenas "the Pinch" wohl als zulässiges Verhörmittel aus.
Artikel 26
Die tägliche Verpflegungs-Grundration muss in bezug auf Menge, Güte und Abwechslung ausreichend sein, um einen guten Gesundheitszustand der Gefangenen zu gewährleisten und Gewichtsverluste und Mangelerscheinungen zu verhindern. Den Ernährungsgewohnheiten der Gefangenen wird ebenfalls Rechnung getragen.
Das bedeute dem gefangenen Hordenmitglied müsste sein "Kaltaka" serviert werden. Gabrielle verhält sich wieder mal vorbildlich.
Xenas Fehler liegt also gar nicht so sehr in ihrem unbändigen Kampfeswillen, sondern in der Frage, wie und mit welchen Mitteln man kämpft. Auch bei der Verteidigung gegen eine wilde Horde gibt es Grenzen, die nicht mehr zu rechtfertigen sind. Das hat nichts mit einengenden Verträgen zu tun, die nur die Siegeschancen schmälern, sondern mit einem allgemeinen Humanitätsverständnis. Denn wir vermuten, oder sagen wir besser wie hoffen, dass die allermeisten Zuschauer Gabrielles Bedenken gut folgen können und mit ihr auch sympathisieren, auch wenn sie nie was von den Genfer Abkommen gehört haben. Da steht nur drin auf was jeder Mensch auch so kommen könnte. Nur scheint das manchmal in Vergessenheit zu geraten, nicht nur bei Xena. Okay, wir geben zu, die böse Xena ist natürlich viel cooler und spannender, als eine Xena (oder ein Kommentator) die Humanitätserklärungen herunterleiert. Aber immerhin gibt uns die Episode Gelegenheit darüber nachzudenken, und dies ist in Actionserie ziemlich selten. Allein schon deswegen hat die Episode die volle Punktzahl verdient.

~ Bildkommentar ~

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Gabrielle hat eine neue Fangmethode entwickelt, sie quatscht die Fische einfach ins Koma. Gut dazu geeignet ist ihre zehnbändige Schriftrolle "Auf der Fährte des Schlüpfers: Eine Spurensuche". Das wirkt auch bei Menschen. Der als Testobjekt rekrutierte Athener winselt schon nach Teil 1 um Gnade. Das verstößt eindeutig gegen die Genfer Konvention.
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Derweil wird im Dschungelcamp die neue Frühjahrskollektion präsentiert. Der edle Wilde trägt Naturstoffe mit Accessoires aus dem Bereich der medizinischen Anatomie. Dazu ein knalliges Makeup in komplementärem Rot mit dynamischem Streifendesign. Gibt es gegen Aufpreis auch in der wasserfesten Permanentvariante. Das hält bei jeder Witterung.
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Gabrielle erkennt etwas missmutig die Nachteile der Emanzipation. In "Der letzte Mohikaner" wurde die langhaarige Blondine noch gepaddelt. Bei Xena muss auch unser Blondie mitrudern. Man kann eben nicht alles haben.
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Köpfe die aus dem Wasser tauchen und Gefangene als Uferdeko erkennt der filmhistorisch gebildete Zuschauer sofort. Die Flussfahrt in "Apocalypse Now" hatte noch deutlich mehr Schädel zu bieten.
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Xena und Gabrielle erreiche ihr Ziel. Das Fußballstadion von Troja, indem demnächst die griechische Mannschaft gegen die Auswahl des Dschungelcamps antritt - wenn endlich die Überreste der Hinrunde aus der Fankurve entfernt wurden.
Nur wenige haben das selige Glück erfahren dürfen an eines der begehrten Tickets zu kommen. Allerdings interessiert sich Gabrielle nicht die Bohne für das Bolzen und kann, wie alle normalgebliebenen Leute, dem Wahnsinn nur fassungslos zuschauen.
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Das ist die griechische Mannschaft mit ihrem Neueinkauf Buster Maori (Mitte). Er ist der einzige, der weiß wo beim Schwert der Griff ist. Der linke Mittelfeldspieler hat sich schon immer gefragt, wozu er so ein Ding im Gürtel hat und der rechte Verteidiger hat sein Schwert vor dem Turnier in völliger Unkenntnis weggeschmissen. Dass man mit so einer Auswahl keinen Preis gewinnen kann ist offensichtlich.
Xena schreitet zur Tat und übernimmt das Training des heruntergekommenen Teams. Mit einem zackigen "Mir san die wo gwinne welle!" versucht sie ihre Leute zu motivieren. Mit erstaunlichem Erfolg. Man muss eben nur laut genug schreien, dann folgt das Volk jedem Führer. Und Xena ist wieder ganz die alte.
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Gabrielle muss laut Xenas Arbeitsteilung die Küche übernehmen. Dabei haben wir doch schon in X2.15 Ein harter Tag gesehen, dass sie nicht mal Fische filetieren kann. Außer einer großen Sauerei kriegt sie kochtechnisch nichts zustande und den Männern ist allein vom zusehen schon schlecht. Doch zum Essen bleibt sowieso keine Zeit, denn schon läuft die gegnerische Mannschaft aus dem Dschungelcamp auf das Spielfeld.
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Das erste Spiel beginnt. Aufgrund des hochmotivierten Körpereinsatzes auf beiden Seiten ist das Geschehen zeitweilig unübersichtlich. Man erkennt nicht mal mehr den Ball. Trotzdem werden Erinnerungen wach an die legendäre Begegnung "England gegen Zulu".
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Xena bereichert das Spiel durch neue Elemente wie das "hinterrücks aufschlitzen". Gabrielle fragt sich, ob sowas nach internationalem Regelwerk eigentlich erlaubt ist. Aber hier im Dschungel nimmt man es mit den Regeln eben nicht so genau.
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Xena schlägt etwas über die Stränge und führt auch noch das "hinterrücks reinhacken" ein. Damit entscheide sie die erste Hälfte des Spiels für sich. Ob allerdings bei dieser Moral der Sport noch unschuldig bleibt? Wahrscheinlich ist das der Preis, den man zahlen muss um überhaupt noch Zuschauer vor den Bildschirm zu locken.
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In der Pause schauen die Verantwortlichen gern über die Mauer. Richard Widmark alias Colonel James Bowie hat die dazu typische Alamo-Pose entwickelt. Man lehnt sich locker vorneüber und stützt sich mit beiden Händen ab. Dazu schaut man "mit großer Sorge" in die Landschaft. Xena macht das zwar besser als John Wayne, der sich verzweifelt an einem kleinen Steinchen festhält, hat aber vergessen, dass man bei dreckigen Lehmmauern besser Handschuhe à la Bowie anzieht. Jetzt muss sie sich erst mal die Hände waschen.
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Hier gibt es erstmals tiefergehende Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Freundinnen. Während Xena alle abschlachten will, meint Gabrielle, dass eine Runde Freibier vielleicht auch friedensstiftenden Wirkung hätte. Sie probiert verschiedene Sorten an dem Hordenkrieger aus und erfährt, dass Kaltaka die bevorzugte Biermarke in der Gegend ist. Das kühle Helle schmeckt in Gefangenschaft genauso lecker wie im Felde...
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...und Gabrielle füllt erst mal Feind und Freund hinterrücks ab. Das schlägt in hohen Dosen zwar auf die empfindlichen Soldatenmägen, aber am Ende sind alle so hagelvoll, dass sie sich ausnahmsweise nicht gegenseitig abmurksen, aber trotzdem rundum zufrieden sind. Xena muss neidvoll anerkennen, dass diese Methode noch erfolgreicher ist als ihr ureigenes aufschlitzen und reinhacken. Manchmal heißt von Gabrielle lernen eben auch siegen lernen.
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So wie Xenas "Let's kill them all" den Übergang zu ihrem alten Ich markierte, wird in dieser Szene die Rückkehr der guten Xena gezeigt. Am Anfang tupft Gabrielle den Verwundeten ab, am Ende geht die helfende Bewegung auf Xena über. Eine sehr schöne Symbolik, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Verwundete sich gern von zwei Weibern betupfen lassen, die nebenher charakterliche Beziehungsdiskussionen führen.
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Unwahrscheinlich auch, dass sich Xena Charakter nur aufgrund einer symbolischen Handbewegung ändert - kaum aus dem Lazarett gegangen prügelt sie sich schon wieder rum, natürlich nur der Kriegerehre wegen. Immerhin belässt sie es bei einem "hinterrücks würgen". Was dem Chef des Dschungelcamps auch nicht hilft, hat seine Mannschaft doch von Xenas früheren Methoden gelernt und ihren Trainer nach einer erfolglosen Saison in finaler Weise entlassen. Und wie wir alle wissen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Na dann Prost und bis zum nächste Mal.

~ Trivia ~