2.22 Irrungen und Wirrungen
A Comedy Of Eros
~ Besetzung ~
Lucy Lawless (Xena)Renee O'Connor (Gabrielle)
Ted Raimi (Joxer)
Jay Laga'aia (Draco)
Karl Urban (Cupid)
Cameron Russell (Bliss)
Anthony Ray Parker (Pinullus)
Barry Te Hira (Craigan)
Catherine Boniface (Priesterin)
Vanessa Mateja (Jungfrau #1)
Cherie Bray-Taylor (Jungfrau #2)
Michael Holt (Draco Man #1)
Zen Player (Draco Man #1)
David Perrett (Farmer)
Collette Pennington (Hausfrau)
John Carr Watson (Händler)
Sean Grant (Teenager)
Eric Lynch (Bester Freund)
Stab:
Drehbuch: Chris Manheim
Musik: Joseph LoDuca
Schnitt: Robert Field
Regie: Charles Siebert
Erstausstrahlung:
USA 05.12.97
DEU 22.03.98
~ Zusammenfassung ~
Xena & Gabrielle versuchen eine Gruppe hestalischer Jungfrauen vor Draco zu beschützen, der die Frauen als Sklavinnen verkaufen will. Cupidos Sohn Bliss, der seinem Vater Pfeil und Bogen gestohlen hat, schleudert derweil wahllos Liebespfeile auf die ahnungslosen Menschlein. Dem ersten Menschen, den man ansieht, nachdem man getroffen wurde, verfällt man in hoffnungsloser Liebe. Xena entbrennt in Liebe zu Draco und bietet ihm an, mit ihm zusammenzuarbeiten - wenn auch auf der Seite der Guten! Draco geht zum Schein darauf ein: Er will die Jungfrauen jedoch weiterhin verkaufen. Xena hat die Jungfrauen mittlerweile in normale Kleidung gesteckt und unter die Dorfbewohnerinnen gemischt. Dann schlägt Bliss wieder zu. Gabrielle trifft ein Pfeil und ein schlimmes Los: Sie sieht Joxer an und ist verliebt! Der weiß erst nicht so recht, wie ihm geschieht, entwickelt dann aber doch Gefühle. Als Xena erfährt, dass Gabrielle Joxer "liebt", schwant ihr, dass hier etwas nicht stimmen kann. Sie versucht, das Rätsel zu lösen. Doch dann schlägt Bliss erneut zu: Diesmal ist es Draco, der in Liebe zu Gabrielle entbrennt. Als erstes will er seinen vermeintlichen Nebenbuhler Joxer aus dem Weg schaffen. Xena befreit Joxer aus Dracos Zelt und schickt ihn zu Cupido. Sie hat mittlerweile begriffen, dass die Götter ihre Hand im Spiel haben. Draco kehrt derweil zurück und verlangt die Jungfrauen, sonst wolle er den Tempel, in dem sich auch Gabrielle befindet, niederbrennen. Plötzlich taucht der Sklavenhändler Pinullus auf. Er hat angeblich eine Nachricht von Draco erhalten, in der dieser ihm als Zugabe eine Amazonenprinzessin verspricht: Gabrielle. (Die Nachricht kam natürlich von Xena.) Da Draco Gabrielle nicht herausgeben will, kommt es zum großen Kampf zwischen Draco und Pinullus. Gabrielle bringt die Jungfrauen in Sicherheit. Bliss pfeffert fleißig weiter Pfeile und schließlich endet alles in einem großen Chaos: die Jungfrauen sind hinter den Kriegern her, die weglaufen, weil sie die Frauen auf Befehl von Draco nicht anrühren dürfen! Endlich erscheint Cupido und entreißt seinem Sohn Pfeil und Bogen. Xena verspricht Cupido, ihn nicht bloßzustellen, wenn er den Zauber bei allen rückgängig macht. Nur Draco, der um attraktiver für Gabrielle zu sein, mittlerweile der Gewalt abgeschworen hat, belassen sie in seinem pazifistischen Zustand. Der einzige, den es wirklich erwischt hat, ist Joxer: Er ist verliebt in Gabrielle. Doch die lacht ihm allein bei der Vorstellung, sie könnten ein Liebespaar sein, ins Gesicht. Sie kann sich an nichts erinnern. Trost erfährt Joxer am Ende von Xena.
~ Übersetzung Titel & Disclaimer ~
A Comedy Of Eros - Eine Komödie des Eros
Anspielung auf William Shakespeares Stück: The Comedy of Errors - Die Komödie der Irrungen.
Disclaimer
No cherries were harmed in the making of this motion picture.
Wörtlich: Keine Kirschen wurden während der Produktion dieses Films beschädigt.
Gemeint ist hier: Keine Jungfrauen haben während der Produktion dieses Films ihre Unschuld verloren.
"Cherry" bedeutet als amerikanischer Slangausdruck "Jungfrau" bzw. "Jungfräulichkeit". Dieses Wortspiel wird auch im Dialog von Gabrielle und Draco im Zelt verwendet:
Draco: "Me, too."
Gabrielle: "Did I mention I'm a widow?"
~Kein Kommentar ~
Wir stehen jetzt vor dem Problem den Platz mit etwas Geschreibsel füllen zu müssen und beschäftigen uns deshalb ein wenig mit Liebe und dem dazugehörigen Kummer, wobei wir uns zumindest oberflächlich durch die Evolutions- und Neurobiologie zitieren. Also nichts mit Poesie und Romantik und schon gar kein "Nur die Liebe zählt", schließlich sind wir hier nicht die Selbsthilfegruppe für Sensibelchen und rumheulen könnt ihr bitte woanders. Bei Xena herrscht Krieg und eine der Regeln lautet "Know your Enemy" und der ist man in Liebesdingen oftmals selber.
Um den Einstieg ins Thema zu finden haben wir im Xena24-Forum geblättert und sind auf folgenden Eintrag gestoßen: "Habt Ihr alle denn noch nie von echter Liebe gehört, geschweige denn sie erlebt. Die passiert unabhängig von Zeit, Raum, Geschlecht, Alter, Herkunft und sozialem Status." Das ist sehr hübsch formuliert und wenn man die Vorsilbe "un" vor dem "abhängig" streicht wäre es auch noch richtig. Das die "echte" Liebe von Zeit und Raum abhängig sein muss, ist eigentlich logisch, denn wer nicht zur selben Zeit im selben Raum ist, der tut sich mit dem Lieben etwas schwer, außer vielleicht in seiner Fantasie, was dann aber nicht "echt" wäre. So ganz unabhängig vom Geschlecht kann es nicht sein, denn gewisse Präferenzen hat ein jeder. Und der Rest gehört zu den vielen Punkten, die in verschiedenen Studien als besonders abhängig eingestuft wurden [1], wobei der wichtige Punkt "Aussehen" noch fehlt. Deshalb kann man vermuten, dass den Eintrag eine Frau geschrieben hat, denn bei einem Mann wäre statt des sozialen Status das äußere Erscheinungsbild gestanden, auf das er angeblich gar keinen Wert legt. Das Kriterien wie "Aussehen" und "finanzieller Status" in Umfragen als wenig relevant genannt werden, die gleichen Menschen bei psychologischen Tests aber genau das Gegenteil beweisen, ist hinlänglich bekannt und wird als "mate choice paradox" bezeichnet [2]. Wir stellen uns eben gerne anders dar, als wir wirklich sind. Das ist aber nicht so schlimm, denn der Nachfrage entspricht nicht immer ein Angebot, was automatisch zu einer gewissen Flexibilität in den Ansprüchen führt, die entsprechen der Equity-Theorie ausgeglichen werden. Im Mittelwert läuft die Paarbildung auf ein "Gleich und gleich gesellt sich gerne" heraus. Man bleibt in seiner sozialen Nische eben gerne unter sich.
Die meisten Faktoren der Partnerwahl sind eng mit der menschlichen Reproduktionsfähigkeit verknüpft und lassen sich aus evolutionären Anpassungen erklären [3]. Aufgrund seines sehr komplexen Gehirns ist es dem Menschen möglich einen Teil seiner Handlungen selbst zu beeinflussen. Deshalb kann er auch zu vielen Dingen "Neee, keine Lust" sagen und stundenlang in einen Kasten gucken oder sinnlose Episodenguides schreiben anstatt seine Gene weiterzugeben. Statt also wie bei seinen tierischen Artgenossen durch vegetative Instinkte zur Paarung getrieben zu werden, und das bei jeder Gelegenheit und vor den Augen der gesamten Sippschaft, macht der Mensch aus der Fortpflanzung einen riesigen Aufstand. Die Menschheit wäre schon längst ausgestorben, wenn die Natur nicht auf den genialen Trick gekommen wäre, der mit dem Wort Liebe umschrieben wird. Biochemisch gepuscht glauben wir uns im siebten Himmel, die Evolution freut sich auf die nächste Generation und jeder hat seinen Spaß. Solange das im statistischen Mittel funktioniert bleibt die Art erhalten und links und rechts des Mittelwerts ist genug Platz für experimentierfreudige Naturen und Sonderlösungen übrig. Die evolutionär geprägten Verhaltensmuster aber sind in allen Liebesbeziehungen und über alle Kulturen ähnlich [1].
Man kann drei Aspekte der Liebe unterschieden: sexuelle Lust (sex drive), romantischer Anziehungskraft (courtship attraction) und langfristige Bindung (attachment) [3]. Evolutionsbiologisch gesehen dient die Lust dazu, die Paarung zu fördern, die Anziehungskraft sorgt dafür, dass man sich einen genetisch vorteilhaften Partner sucht und die Bindung garantiert dem Nachwuchs die notwendige Betreuung in den ersten Lebensjahren. Verschiedene biochemische Vorgänge steuern diese unterschiedlichen Aspekte, die jedoch neuronal sehr eng miteinander verknüpft sind. Biologisch betrachtet ist die Liebe eine ganz vernünftige und logische Angelegenheit, wenn sie sich nur nicht immer so emotional geben würde.
Das alles ist natürlich nicht gerade das, was der Romantiker hören will, denn wir erwarten von unserem Traumpartner (m/w), dass er uns lange und tief in die Augen schaut und ein sehnsüchtiges: "Du bist die große Liebe meines Lebens" haucht, und nicht, dass er uns kurz mustert, seine interne Checkliste abhakt und dann meint "Unter den gegebenen Umständen erscheinst du mir als gangbarer Kompromiss". So schlimm ist das ebenfalls nicht, denn die Natur hat schon dafür gesorgt, dass unser subjektives Empfinden etwas poetischer ist. Und das wissen auch Drehbuchautoren.
Die Gesetze der Partnerwahl gelten für erfundene Geschichten in noch größerem Maße als für reale Beziehungen, da Drehbuchautoren keine Kompromisse machen müssen und ihre Charaktere je nach Situation verändern können. Analysiert man Hollywoodfilme nach diesen Mustern stellt man schnell fest, dass nicht die Liebe Grenzen überwindet, sondern erst Grenzen aufgeweicht und Charaktereigenschaften angepasst werden bevor es mit der Liebe klappt. Das kann man in der Episode am Beispiel Joxer und Gabrielle sehen, deren Charaktere im Laufe der Episode mehrfach verändert werden, je nachdem ob die Autoren einen komischen, romantischen oder tragischen Effekt erzielen wollen.
Nachdem Gabrielle vom Liebespfeil getroffen wird, werden sie und Joxer extrem gegensätzlich dargestellt. Gabrielle ist in einer ernsthaft schmachtenden Pose (was sie sonst nie in der Serie ist, noch nicht mal bei ihrem Kurzeitgatten Perdicas) und Joxer wird nicht nur als der übliche Clown, sondern als "ekeliger" Clown gezeigt, der seine Zunge mit dem Finger putzt (was er sonst in der Serie auch nie macht). Offenbar passen die beiden überhaupt nicht zusammen, da kann die Liebe noch so unabhängig von was auch immer sein. Im weiteren Verlauf wird dieser Kontrast nach und nach reduziert und die beiden aneinander angeglichen. Schon in der ersten "Liebesszene" ist Joxer gar nicht mehr eklig, sondern eher sympathisch verunsichert, außerdem hat er seinen Helm nicht auf, was allein schon seine Deppenhaftigkeit reduziert. Joxer kann im Drehbuch einfach von komisch zu ernsthafter verschoben werden, indem er seinen Helm abnimmt, was schon zeigt wie sehr wir vom Äußeren auf den Charakter schließen. Gabrielle hingegen bekommt durch ihre aufdringliche Zuneigung etwas komische Züge, d.h. sie wird nach und nach "joxerhaft" gemacht, z.B. wenn beide das Joxerlied singen. Das reicht natürlich noch nicht aus. Ein weiterer Angleich erfolgt später in der Tempelszene. Joxer und Gabrielle sind in ihrer Körpersprache aneinander angeglichen, beide laufen in gleicher Weise durch das Labyrinth und zeigen in verschiedene Situationen auch ähnliche Gesichtsausdrücke. Außerdem hat Gabrielle ein neues Kostüm bekommen. Statt dem Grün/Rot hat sie nun Brauntöne und metallische Elemente, einmal als Halskette und an den Schultern, die von den Reflektionen mit Joxers Kostüm harmonieren. Damit passen die beiden nun auch optisch zusammen. Um das romantische Element zu verstärken, lässt man sie im Tempel vor klassischer Kerzenbeleuchtung zusammentreffen. Der Tempelaltar im Hintergrund suggeriert mit seiner religiösen Bedeutung eine "Hochzeit". Damit haben die Autoren die Figuren so verändert, dass sie nun zusammenpassen und deshalb wirkt der Kuss auch überzeugend, denn für einen kleinen Moment kann man sich diese Paarung sehr gut vorstellen. Der Kuss passiert also nicht zufällig, sondern ist über einen Zeitraum von 20 Episodenminuten vorbereitet worden um glaubhaft zu wirken. Diese Szene und der nachfolgende tragische Schlussmoment hätten nicht funktioniert, wenn sich Joxer und Gabrielle gleich nach dem Pfeilschuss vor dem Marterpfahl geküsst hätten. Damit kann man sehen, wie sehr unsere Emotionen durch optische Tricks gelenkt und wie Filmfiguren manipuliert werden um sie passend zu machen. Denn sonst wird das nichts mit der Liebe.
In der Biologie ist für die Liebe kein kleiner Junge, sondern ein großes Organ zuständig und zwar das Gehirn [4]. Wichtig für das Gefühlsleben sind der präfrontale Cortex, eine Art Steuerungsstelle, sowie die Amygdala, die bei vielen Gefühlsregungen aktiv ist. Der Hippocampus enthält das Episodengedächtnis und erlaubt so Gefühle mit Erinnerungen zu verbinden. Der Hypothalamus beeinflusst den Hormonhaushalt im Körper. Eigentlich sind alle Areale des Gehirns beteiligt, denn die Einteilung in Regionen ist historisch bedingt und die meisten Denkprozessen und Emotionen erstrecken sich über mehrere Areale mit ganz unterschiedliche Funktionen. Kognitive Bereiche und emotionale Steuerkreisläufe sind so sehr vernetzt, dass sich auf neuronaler Ebene Denken und Fühlen nicht mehr voneinander trennen lassen [5]. Das entspricht zwar nicht unserer Alltagssprache und mancher Hollywood-Liebesvorstellung, hat aber auch eine Vorteil: Es ist egal ob man der Vernunft oder seinem Herzen folgt, da die beiden sich biochemisch absprechen kommt am Ende dasselbe raus.
Dem Mythos entsprechend kann Cupido mit einem Schuss ins Herz die Gefühlswelt in Gang bringen. Goldene Pfeile entzünden die Liebe und Pfeile aus Blei bringen sie wieder zum erliegen, in der Xena-Episode tut's auch ein Schlag auf den Kopf. Jedenfalls hat Cupido hier ein ganzes Waffenarsenal zur Verfügung.
Da kann die Natur locker mithalten, denn bei der Liebe sind zahlreiche biochemischen Stoffe, Hormone und Neurotransmitter beteiligt, wie diese kleine Auswahl an Liebesmolekülen zeigt [4]. Neurotransmitter verbinden benachbarte Nervenzellen und übertragen elektrische Impulse. Hormone übertragen im Blutstrom Signale über weite Strecken. Für alles was beim Lieben so vorkommt, gibt es passende Stoffe. Testosteron ist schon sprichwörtlich, Endorphine sind körpereigenen Drogen und die "Treuehormone" Oxytocin und Vasopressin beeinflussen langfristige Bindungen. Wichtig für das Frühstadium der Liebe und den Liebeskummer sind die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin, sowie das Stresshormon Cortisol. Daneben gibt es natürlich noch viele andere, aber das soll fürs erste reichen, denn wir wollten nur zeigen, dass es mit einem Pfeil alleine nicht getan ist.
Dieses Arsenal braucht es auch, denn im Gehirn gibt es nicht nur einen Liebespfeil, sondern einen ganzen Pfeilregen [4]. Sinneseindrücke, wie der Anblick eines attraktiven Partners, werden im Cortex mit Assoziationen verbunden und dann in den Thalamus weitergleitet. Der schaltet ein Signal über Zwischenstellen in die Amygdala. Dort werden die Emotionen bewertet bzw. es werden verschiedene Teile der Amygdala aktiviert. Nach der Bewertung gehen die Signale über Zwischenstellen wieder in den Thalamus und die Reise geht von vorne los. Durch die Steuersignale aus dem Cortex kann dieser Kreislauf gebremst oder verstärkt werden. Erweist sich der Anblick des Gegenübers als verheißungsvoll - für was auch immer - dann ist nach einigen Verstärkerrunden das Signal stark genug um weitere Reaktionen auszulösen. So können durch die Verbindung des Thalamus zum Hypothalamus in der Hypophyse Hormone auf die Reise geschickt werden, und dann merkt auch der Rest des Körpers was los ist. Liebe ist also weniger eine Herzens- sondern mehr eine Hirnangelegenheit, auch wenn man deswegen nicht sämtliche Liebesgedichte umschreiben muss, denn von den Hirnvorgängen kriegen wir nichts mit, vom anschließenden Herzklopfen aber schon.
Wichtig für das Liebesempfinden sind die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin, die entlang verschiedener Pfade im Gehirn transportiert werden. Dopamin entsteht in der Ventral Tegmental Area (VTA). Ein hoher Dopaminspiegel führt zu euphorischen Zuständen bzw. "bringt in Fahrt". Die Pfade sind Teil des Motivations- und Belohnungssystems. "Belohnung" meint hier nicht Sonderzahlungen oder Freibier, sondern dass bestimmte Verhaltensweisen vom Gehirn als positiv bewertet und verstärkt werden, was nicht immer bewusst geschehen muss. Damit ist die Liebe weniger ein reines Gefühl, sondern ein Motivationszustand ähnlich Hunger und Durst. Das erklärt auch warum das Verlangen nach Liebe ungeahnte Dimensionen erreichen kann [6].
Serotonin spielt ebenfalls eine Rolle, wird aber im Gegensatz zum Dopamin heruntergefahren. Das ist eigentlich ungünstig, denn niedrige Serotoninspiegel sind tendenziell unangenehm. So liegt bei frisch Verliebten der Serotoninspiegel auf dem Niveaus von Patienten mit bipolaren Störungen, früher auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet. Der Grund dafür liegt vermutlich darin, dass hohe Serotoninspiegel zu einer Art mentaler Ruhe führen. Mit Ruhegefühlen motiviert man aber keinen und deshalb macht uns die Natur bewusst hypernervös, damit wir uns gefälligst vom Sofa erheben und uns um einen Partner bemühen, denn durch Liebeserfahrungen wird der Serotoninspiegel wieder ins Gleichgewicht gebracht. Wenn es mit der Liebe nicht klappt ist das allerdings Pech, dann bleibt der Spiegel fürs erste niedrig. Normalerweise regelt sich die Biochemie nach einiger Zeit selbst wieder ein, jedoch kann in Ausnahmefällen der Serotoninmangel zur Entstehung einer klinischen Depression beitragen. Offenbar macht der Liebestrieb einen Kompromiss; damit die Motivation auch bei jedem Faultier ankommt gibt es einen ordentlichen biochemischen Tritt und dass dabei ab und zu was daneben geht nimmt die Natur in Kauf. Wo gehobelt wird fallen eben Späne, und biochemisch gesehen wird hier ganz gewaltig gehobelt.
Neben den Neurotransmitter werden bei den Verliebten auch Hormone auf die Reise geschickt [7]. Das geht über die HPA-Achse, d.h. die hormonelle Bahn vom Hypothalamus über die Hypophyse zur Nebennierenrinde. Dabei setzt der Hypothalamus das Hormon CRH (Corticotropin-releasing Hormon) frei, das wiederum im Hypophysevorderlappen ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) erzeugt. Dieses läuft über die Blutbahn zur Nebennierenrinde (Adrenal gland) und stimuliert dort die Produktion des Stresshormons Cortisol (Nicht zu verwechseln mit Cortison). Durch die erhöhte Produktion führt das Hormon zu den bekannten Stressreaktionen, sorgt aber auch dafür, dass man den notwendigen Schub bekommt um soziale Kontakte zu knüpfen. Beim Anblick der Geliebten nervös zu werden ist also keine Schüchternheit, das ist Absicht. Klappt es mit der Paarbindung allerdings nicht, dann kann der Stress auch schnell zu viel werden. Und damit bestätigt sich wieder das, was wir im zum vorherigen Bild gesagt haben. Der biochemische Tritt der die Liebe voranbringen soll, kann leider auch des Guten zu viel werden. Da ist dann Stressmanagement gefragt.
Mit dem Stresshormon Cortisol werden gleichzeitig Endorphine produziert. Während das Dopamin für die Erregung sorgt, können Endorphine wahre Glücksgefühle vermitteln. Die genaue Funktion im Zusammenhang mit Liebesgefühlen ist noch umstritten, denn es gibt im Gehirn verschiedene Belohnungssysteme. Diese sind aus historischen Gründen nach Drogen benannt, wie das Kokain-, Opiat- und Alkohol-Belohnungssystem [8], da sie zuerst im Zusammenhang mit Suchterkrankungen erforscht wurden. Nach einigen Studien wird bei den Liebesgefühlen das Kokain-Belohnungssystem aktiviert, andere sehen das Opiatsystem beteiligt [7], das auch bei anderen Wohlfühlereignissen aktiv wird, wie dem Essen von Schokolade [9]. Auch die körpereigenen Endorphine gehören zur Familie der Opioide und wirken in verschiedenen Lustzentren die über das Gehirn verteilt sind. Ein weiterer Hinweis, dass Fühlen und Denken eng verknüpft sind. Liebe wäre nach diesem Modell also Opium fürs Hirn, was dem Ausdruck "addicted to love" eine gewisse Berechtigung verleiht. Zu den bahnhofsüblichen Drogen gibt es jedoch einen ganz entscheidenden Unterschied. Das natürliche Belohnungssystem arbeitet in einem Regelkreis der innerhalb verträglicher Grenzen bleibt, das nennt man homöostatisch. Drogen hingegen überfluten das neuronale System mit Dopamin- und Endorphindosen, die ein Vielfaches über dem normalen Pegel liegen und hebeln so den Regelkreis aus. Abgesehen davon, dass dabei Nervenzellen absterben, bleibt auch das positive Feedback des Regelsystems aus, d.h. am Ende des Rauschs ist man da wo man vorher war und hat nur die Nebenwirkungen dazubekommen. In der Ökologie bezeichnet man sowas als ein Mangel an Nachhaltigkeit. Deshalb sehen Suchtkranke auch nicht überglücklich aus, sondern ähneln wandelnden Müllsäcken.
In den letzten Jahren hat man Untersuchung an Verliebten mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomographie (fMRI) gemacht. Dabei werden den Versuchspersonen Photographien gezeigt und im Tomographen Gehirnscans aufgenommen, mit denen man sehen kann welche Regionen beim Anblick des bzw. der Liebsten aktiviert und welche deaktiviert werden. Die aktiven Regionen sind die oben erwähnten Gehirnareale, die mit dem Motivations- und Belohnungssystem zusammenhängen. Fast noch interessanter die Regionen, deren Aktivität heruntergefahren wird, wie in dem Scan rechts unten. Dort sieht man bei den frisch Verliebten eine verminderte Aktivität in den Teilen der Amygdala, die mit Emotionen wie Furcht und Aggressivität in Verbindung gebracht werden [10]. Oder anders ausgedrückt, der Liebeszustand macht aus dem harten Warlord ein grinsendes Weichei. Ebenso ergibt sich eine verminderte Aktivität in Regionen, die mit der Bezeichnung "critical social assessment" bezeichnet werden [11], also mit der Fähigkeit andere Menschen emotional einzuschätzen. Die Natur setzt dem Weichei nun noch die rosarote Brille auf. Liebe macht also tatsächlich blind und wer sich nach einer eher ernüchternden Beziehung gefragt hat wie er so was überhaupt machen konnte, dem sei wie oben bei der Schüchternheit gesagt: das ist keine Dummheit, das soll so sein. Aus Sicht der quengelnden Evolution ist es besser den falschen zu wählen, als gar nicht zu wählen. Was aber nicht ausschließt, dass man sich vor irgendwelchen Liebschaften eine ruhige Minute gönnt um abzuschätzen, ob das wirklich die richtige Wahl ist. Denn irgendwann werden alle Hirnregionen wieder ihren natürlichen Zustand erreichen und dann ist der Warlord eben genau der, der er vorher war.
Die Mutterliebe (Maternal love), die hier auch für Väter gilt, hat mit der romantischen Bindung einige Gemeinsamkeiten, sodass man durchaus sagen kann Eltern-Kind und romantische Beziehungen haben gemeinsame neuronale Wurzeln [11]. Trennt man ein kleines Kind von seiner Mutter, so wird das Kind erst rumplärren und dann in einen apathischen Zustand verfallen, also Anzeichen einer Depression zeigen. Das gewohnte elterliche Umfeld fehlt und das Kind weiß nicht, wie es sich in der ungewohnten Umgebung seine sozialen Bindungen definieren soll. So ein Verhalten zeigt sich bei verschiedenen Säugetieren [3]. Die Mutter hingegen wird einen Adrenalinschub bekommen und alles versuchen das Kind wiederzubekommen. Gerät das Kind in Not können selbst zierliche Frauen starke Körperkräfte freisetzen und ansonsten friedliche Naturen ein extremes Aggressionspotential aufbauen. Alles mit dem Zweck die Eltern-Kind Verbindung aufrecht zu erhalten. An einigen amerikanischen Gerichten werden bei Sorgerechtsprozessen deshalb schärfere Sicherheitsmaßnahmen getroffen als bei Mordprozessen, da die Gefahr gewalttätige Übergriffe beim Kampf ums Kind höher sind.
Damit haben wir zwei Verhaltensweisen beschrieben, die man in etwas abgewandelter Form auch bei Liebeskummer vorfindet. Wird jemand von seinem Partner verlassen dann wird er, so ein psychologisches Modell, zwei Phasen durchlaufen, zuerst eine Protestphase und später eine Resignationsphase [12]. Die Protestphase dient dem Versuch die Bindung wieder herzustellen, die depressive Phase der Neuorientierung. Das alles ist Teil einer Strategie, die die Natur ganz allgemein beim Auseinanderbrechen menschlicher Bindungen anwendet. Damit wäre auch der Liebeskummer eine natürliche Reaktion auf den Verlust einer sozialen Beziehung und man ist wieder beim gleichen Thema wie oben bei der angeblichen Schüchternheit oder der vermeintlichen Dummheit, wenn die Botschaft diesmal auch erheblich unerfreulicher ist. Liebeskummer ist kein Unglück, sondern nach dieser Interpretation ebenfalls Absicht.
Vergleicht man glücklich Verliebte mit einer Gruppe von kürzlich Abgewiesenen [6], zeigt sich bei den Verlassenen eine erhöhte Aktivität in Gebieten um das Striatum, die mit dem Belohnungssystem in Verbindung gebracht werden und deren erhöhte Aktivität man auch bei Personen gefunden hat, die hochriskante Einsätze bei Spielen oder bei Finanzgeschäften tätigen. In dieser Phase sieht sich der Liebende noch "im Spiel" und befürchtet, dass sein hoher emotionaler Einsatz verloren gehen kann. Diese Befürchtungen können in Ärger, Wut und Aggressionen münden. Wie sich diese Aggression äußern ist individuell verschieden, in den allermeisten Fällen bleibt das im sozialverträglichen Rahmen (d.h. eine etwas lautere Diskussion), in selten Fällen führt das zu unerfreulichen Phänomenen wie Stalking. Wie wir oben gesehen haben, sind diese Wutgefühle Teil einer natürlichen Reaktion auf den drohenden Verlust einer zwischenmenschlichen Bindung. Das soll nicht als Rechtfertigung verstanden werden, denn Liebe beruht auf Freiwilligkeit und diese Freiheit muss man eben nicht nur sich, sondern auch anderen gewähren. Dazu kommt aber noch eine kleine Gemeinheit der Natur, die uns dazu bringt Bindungen auch wider besseres Wissen aufrecht zu erhalten. Die Neuronen im Belohnungssystem warten ungeduldig auf ihre Belohnung. Bleibt diese aus, dann verstärken sie die Motivation und erhöhen den Dopaminpegel, d.h. die Gefahr einer auseinanderbrechenden Beziehung erhöht im ersten Schritt die Liebesgefühle! "Quanto minus spei'st tanto magis amo" (Je kleiner meine Hoffnung, desto größer meine Liebe) meinte einst der römische Dramatiker Publius Terentius Afer. Aufgrund des hohen emotionalen Einsatzes und der gemeinsamen neuronalen Wurzeln dieser Gefühle ist es deshalb möglich einen Menschen gleichzeitig zu lieben und zu hassen. Das Gegenteil von Liebe ist deshalb nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit [6] und emotionale Altlasten entsorgt man am besten durch eine neutrale Sichtweise jenseits von Verklärung oder Verdammung.
Irgendwann erkennt der Körper, dass es mit der Aufrechterhaltung der Beziehung nicht mehr klappt. Dann muss er sein ganzes Umfeld umorganisieren, d.h. seine wichtigsten sozialen Beziehungen und sich selbst neu ordnen. Er rutscht in eine Resignationsphase. Dies ist ein Signal an das Umfeld, dass etwas nicht in Ordnung ist und man Unterstützung braucht. Wer mit verheulten Augen vor der elterlichen Haustür steht und sagt "Ich weiß nicht mehr weiter, mein Leben hat keinen Sinn mehr" wird wahrscheinlich eher mit Unterstützung rechnen können, als jemand der freudestrahlend ankommt und sagt: "Pappa du darfst jetzt wieder die Miete überweisen." Als zweite Funktion macht die Depression Ressourcen frei und lenkt die Aufmerksamkeit nach und nach auf einen Neuanfang. Deshalb kreisen die Gedanke auch vorwiegend um sich selbst und seine Beziehungen, während andere gesellschaftliche Aktivitäten vernachlässigt werden. Depressive haben auch einen deutlich höheren Realitätssinn. Nach dieser Theorie der "Social Navigation Hypothesis" hat der Liebeskummer also durchaus einen Sinn, werden damit doch die Voraussetzungen geschaffen sich und sein Lebensumfeld neu zu definieren [13]. Das mag in der Art zwar äußerst unsanft sein, und in seltenen Fällen haut es den Liebekranken gleich ganz aus dem Kreislauf der Evolution, aber mit der Sanftheit hat es die Natur allenfalls in der esoterischen Werbewelt, sonst herrscht bekanntlich Krieg. Darin schlagen sich die Liebeskranken aber recht gut, denn die meisten schaffen es aus eigenen Kräften. Trotzdem zeigen ca. 4% Anzeichen einer mittelschweren bis schweren klinischen Depression [6]. Das hängt vom Einzelfall ab und ist zum Teil auch genetisch bedingt. Gefördert wird die Depression auch durch den niedrigen Serotoninspiegel. Deshalb greifen einige Antidepressiva an diesen Neurotransmittern an und blockieren den Abtransport (re-uptake) des Serotonins (im Bild mit seinem anderen Namen 5-HT bezeichnet). Durch diese Blockade steigt der Serotoninspiegel wieder an. Das allein reicht aber nicht, denn Depressionen sind trotz aller theoretischen Erklärungen ein sehr komplexes Phänomen und erfordern medizinische Betreuung. Ob der Liebeskummer am Ende mit einem Gesprächstherapeuten, mit Freunden oder mit Hilfe des Jumbobechers der lokalen Eisdiele überwunden wird, ist letztlich vom Einzelfall abhängig.
Psychological Topics 15, 2 (2006) 239-260
[2] B.J. Ellis: The evolution of sexual attraction: Evaluative mechanisms in women
in J.H. Barkow, L. Cosmides, J. Tooby (Hrsg.): The Adapted Mind: Evolutionary Psychology and the Generation of Culture
Oxford University Press 1996
[3] R. Steinberg, K. Weis (Hrsg.): The New Psychology of Love
Yale University Press 2006
[4] G. Miketta, C, Tebel-Nagy: Liebe & Sex: Über die Biochemie leidenschaftlicher Gefühle
Trias Thieme 1996
[5] J.E. LeDoux: Emotion circuits in the brain
Annu. Rev. Neurosci. 23 (2000) 155-184
[6] H. Fisher, A. Aron, L.L. Brown: Romantic love: a mammalian brain system for mate choice
Phil. Trans. R. Soc. B, 361 (2006) 2173-2186
[7] T. Esch, G.B. Stefano: The neurobiology of love
Neuroendocrinol Lett 26, 3 (2005) 175-192
[8] R.F. Thompson: Das Gehirn: Von der Nervenzelle zur Verhaltensteuerung
Spektrum Verlag 3. Aufl. 2001
[9] "Bitte mit Gefühl": Dossier der Zeitschrift Gehirn & Geist, Nr. 1/2007
[10] A. Bartels, S. Zeki: The neural basis of romantic love
Neuroreport 2,17 (2000) 12-15
[11] A. Bartels, S. Zeki: The neural correlates of maternal and romantic love
NeuroImage 21 (2004) 1155-1166
[12] H. Fisher: Broken hearts: The nature and risks of romantic rejection
in A.C. Crouter, A. Booth (Hrsg.): Romance and sex in adolescence and emerging adulthood: Risks and Opportunities
Lawrence Erlbaum Publ. 2006
[13] K. Cline-Brown, P.J. Watson: Investigating major depressive disorder from an evolutionary adaptationist perspective: fitness hindrances and the social navigation hypothesis
in J.T Devito (Hrsg.): Focus on Depression Research
Nova Science Publishers 2005