Warnung: Diese Geschichte gehört zu "Alternative Fiction". Bitte lest sie nicht, wenn ihr minderjährig seid oder es an eurem Ende von der Welt illegal sein sollte.
Notiz: Alle Beschreibungen der Flora und Fauna in dieser Geschichte sind real, ebenso die der Indianergruppen und der natürlichen Topografie. Sie sind Bestandteil meiner eigenen Feldforschungen in diesem Gebiet. Cats Paw kommt als mögliches Medikament bei der Behandlung von Krebs in Betracht.
Anmerkung von jany_: Da dieser Encounter als Grundlage zum Verständnis der folgenden Encounter dient, habe ich mir erlaubt ihn hier zu posten, obwohl ich Finonomene nicht erreicht habe. Die Übersetzung ist Eigentum von Finonomene und wird wieder offline genommen, falls sie ein Problem damit haben sollte, dass ihre Übersetzung hier gepostet wurde.
Amazon Encounter
By
Anne Azel
a_azel@hotmail.com
Übersetzung von finonomene@planet-interkom.de
Teil 1
Morgan Andrews spähte durch das Fenster der Chesna und ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Unter ihr lag das wogende Gras der Savanne, dehnte sich nach allen Richtungen aus, nur hier und da durchschnitten von breiten, tiefen Flüssen und Waldgürteln. Graue, schwere Wolken verdeckten die Sicht und Morgans Augen wandten sich voller Interesse ihren Reisebegleitern zu. Am anderen Ende, tief in der Mitte des Flugzeuges saß ein Rentnerpaar aus Florida. Sie hatten gerade ihre Zitrusplantagen verkauft und verbrachten jetzt ihren Ruhestand auf Reisen. Morgen mochte sie. Sie waren bestimmt gute Eltern gewesen, sorgsam und voller Freundlichkeit. Morgan hatte Betty und Joe Harris erst an diesem Morgen im Touristen-Van kennen gelernt, der sie an ihrem Hotel eingesammelt hatte, um sie zu dem kleinen Flugplatz zu bringen.
Sie hatte auch Arthur Berkler dort getroffen, einen Geschäftsmann auf dem Weg zu den Holzanbaugebieten im Regenwald. Er saß neben ihr auf dem mittleren Sitz in der Reihe, sein Aktenkoffer stand geöffnet auf seinem Schoß. Morgen hatte während ihres zweistündigen Fluges ab und zu über seine Schulter mitgelesen und war nun bestens über Berklers Angebot informiert. Sie lächelte. Ein Glück für Berkler, dass er für eine Firma arbeitete, die Holzprodukte herstellte und keine Medikamente. Morgans Mission in diesem Gebiet war da etwas geheimnisvoller. Berkler war übergewichtig und er brauchte wesentlich mehr Platz, als dafür vorgesehen war. Glücklicherweise war in dieser Höhe die Luft in der Chesna kühl und trocken. Darüber war Morgen froh, denn er war ziemlich verschwitzt und erhitzt gewesen, als sie ihre Sitze in dieser "fliegenden Konservenbüchse" eingenommen hatten, wie Betty es genannt hatte. Berkler schien sie alle vollständig zu ignorieren und das kam Morgan gerade recht, denn sie war wirklich nicht gut auf Leute zu sprechen, die den Regenwald abholzten.
Das kleine Flugzeug holperte durch die raue Luft und Morgan schluckte. Bitte, bring mich nicht in die Verlegenheit, mich übergeben zu müssen, betete sie. Die Maschine war alt und vollgestopft und roch nach verstaubten Ledersitzen und Schweiß. Die Plastikfenster waren zerkratzt und das Funkgerät des Piloten war auf dem Armaturenbrett mit dünnen grünen und roten Drähten festgezurrt. Vom ursprünglichen Funkgerät war nur ein gähnendes Loch auf dem Kontrollbrett übriggeblieben. Für gewöhnlich machte Morgan das Fliegen überhaupt nichts aus, jetzt aber fühlte sie sich ein wenig unsicher in einem Flugzeug, das nur noch von Kreativität und Glück zusammengehalten zu werden schien.
Die Wolken hatten sich verdichtet und sie flogen blind durch die grauen Nebel. Feuchtigkeit schlug sich an der Windschutzscheibe nieder und Tropfen rollten über die Seitenfenster. Der Pilot, ein dicker, lockiger Brasilianer schien sich zu langweilen. Hin und wieder drehte er an den Knöpfen des Funkgerätes. Seine Haut war kupferfarben und sein Fünf-Uhr-Schatten war schon zu erkennen, obwohl es erst kurz nach Mittag war. Sein Gesicht hatte den blutunterlaufenen Ausdruck eines Trinkers, stellte Morgan mit einiger Besorgnis fest. Er sah ziemlich alt aus, aber vielleicht auch nicht, beschloss sie nach einem zweiten Nachdenken, sein Haar wies kein Grau auf, dicht und schwer ringelte es sich über den großen, schwarzen Kopfhörern. Morgan wünschte sich, sie hätte auch ein Set. Die sechssitzige Maschine röhrte lautstark und machte jede Konversation unmöglich, es sein denn, man schrie sich an.
Die Person, die sie jedoch am meisten interessierte, war eine große Frau, die neben dem Piloten saß. Sie hatte sich in letzter Minute auf dem Flugplatz zu ihnen gesellt, in raschem Portugiesisch auf den Piloten eingeredet, sich dann umgedreht und war in langen Schritten zum Haupthangar zurückgerannt. Der Pilot hatte daraufhin Morgan höflich gebeten, vom Vordersitz auf einen in der mittleren Reihe zu wechseln, wo sie sich neben dem schwitzenden Berkler in die Ecke gequetscht hatte. Ein paar Minuten später war die große Frau wieder aufgetaucht und hatte sich in den Sitz des Copiloten geschwungen, auf dem Morgan zuvor gesessen hatte.
Sie war überraschend gutaussehend. Mit ebenmäßigen, klassischen Gesichtszügen und einem großen, gertenschlanken Körper, der die Grazie eines Leoparden und die Stärke eines Bären ausstrahlte, als sie sich bewegte. Ihre Augen waren von klarem Blau im Gegensatz zu ihrem dunklen Haar und ihrem Teint und es schien beinahe etwas nicht menschliches in ihnen zu glimmen. Sie waren eiskalt und verströmten sich dennoch in einem inneren Leuchten. Für eine Sekunde hatten sie sich in Morgans gebohrt und sie war von ihnen festgehalten worden, bis die Frau ihren Blick gelöst und sich abgewandt hatte. Der kurze Augenkontakt hatte Schauer über Morgans Rücken geschickt.
Die fremde Frau war in ein paar raue Khakishorts und ein ärmelloses Baumwollhemd gekleidet. Sie trug knöchelhohe Schnürstiefel aus hochpoliertem Leder und einen geflochtenen Ledergürtel. Sie sah aus, als wäre sie aus den Seiten eines Ralf Lauren Safari Kataloges gefallen. Ja, genau, schnaubte Morgan bei sich selbst, ein einziger Blick auf die taffe Erscheinung der Lady ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Hauptsache war. Nicht dass daran überhaupt hätten Zweifel aufkommen können, denn als sie sich umdrehte wurde klar, dass der Gurt über ihrer Brust eine braune Lederscheide mit einer Machete auf ihrem Rücken festhielt.
Die Frau schob die Waffe fort, als sie sich in ihren Sitz schwang und schloss die Tür. Sie nickte dem Piloten zu und gab ihm damit das Freizeichen für den Start. Alle Gespräche in dem kleinen Sechssitzer waren bei ihrem Erscheinen verstummt, alle Blicke auf sie gerichtet. Wenn die Frau sich dessen bewusst war, dann gab sie keine Anzeichen dafür von sich, sie ignorierte einfach alle.
Alles, was Morgan jetzt von dieser Unbekannten sehen konnte, waren ihre Schultern und der Scheitel ihres dunklen Kopfes. Sie ertappte sich dabei, dass sie sich wünschte, auf Berklers Platz zu sitzen, so dass sie während des Fluges wenigstens einen Blick auf das Profil erhaschen könnte. Morgen bemerkte, dass Berkler aufschaute und wie seine Augen gierig über die Frau im Sitz des Copiloten hinwegglitten. Vergiss es Berkler, die frisst dich bei lebendigem Leibe auf, dachte Morgan mit einem inneren Kichern. Wenn sie überhaupt Notiz von dir nimmt!
Morgan versank ins Grübeln. Das kleine Flugzeug war noch immer umgeben von grauen, feuchten Wolken. Ich denke, deswegen nennt man ihn wohl Regenwald, überlegte sie und versuchte, ihre panischen Gedanken - sie könnten gegen einen Berg prallen oder mit einem anderen Flugzeug zusammen stoßen oder der Motor könne im Regen versagen - keinen Platz zu lassen.
Sie sah auf und schnappte nach Luft, als sie entdeckte, dass die blauen Augen sie im Spiegel der Sonnenblende, die die Frau gerade heruntergeklappt hatte, anstarrten. "Sie sind Andrews?" fragte eine tiefe und melodische Stimme, die das "r" in ihrem Namen auf eine Weise rollte, die Morgen als überaus angenehm empfand.
"Ja," erwiderte sie einsilbig, mehr jedoch aus Schock, denn aus Absicht.
Die Augen nickten kurz. "Ich werde Sie in die Dörfer bringen," stellte die Frau fest, die Blende schnappte zurück und beendete das Gespräch damit recht effektiv. Morgen entdeckte, dass sie den Atem angehalten hatte und als sie endlich ausatmete, klopfte ihr Herz wie wild. Das ist meine Führerin! Oh Mann!
Warte, bis meine Familie herausfindet, dass ich im Dschungel mit einer Amazone verloren gegangen bin!
Zu Morgans großer Erleichterung, öffneten sich die Wolken und sie konnte wieder den Boden von ihrem Fenster aus sehen und unter ihr tauchte der grüne Waldessaum des Regenwaldes am Rande der Großen Savanne auf. Morgan war überrascht, dass der Übergang nicht allmählich verlief, sondern dass der Wald wie eine solide Wand das riesige Amazonasbecken vom Grasland der Ebene abschnitt. Nach nur ein paar Minuten hatten sie die Ebene hinter sich gelassen und jetzt erkannte Morgan die undurchdringliche Dichte des Regenwaldes. Hier und da durchschnitten von einem ausgetrockneten Flusslauf, den der Dschungel noch nicht wieder zurück erobert hatte. Im Laubteppich tauchten hin und wieder ein paar rote Farbtupfer auf, wohl Blätter einer Art Rankpflanze oder der blaue Rauch eines Indianerfeuers, meilenweit unter ihnen. Morgan jauchzte vor Entzücken. Ihr Traum vom großen Abenteuer sollte nun endlich wahr werden!
Der Pilot drosselte den Motor der kleinen Maschine und sank. Jetzt konnte Morgan an Berkler vorbei durch das gegenüberliegende Fenster eine grasbewachsene Lichtung erkennen, auf der eine kleine Landebahn von der Vegetation des Waldes freigemacht worden war. Das Flugzeug pegelte sich ein und senkte sich langsam, küsste den Boden zuerst mit den Hinterrädern und setzte dann auch auf die vorderen auf. Der Metallvogel war einmal mehr zum schwerfälligen Erdenwesen geworden. Morgans Gesicht war gegen das Fenster gepresst, während das Flugzeug über die staubige Landepiste holperte, eine Neunzig- Grad Wendung vollführte, weiter geradeaus fuhr und schließlich in Sicht der Gebäude auf der Lichtung zum Stehen kam.
Die dunkelhaarige Frau öffnete augenblicklich ihre Tür, als könnte sie nicht einen Moment länger die Enge des Flugzeuges ertragen. Bevor der Pilot noch die Motoren abgeschaltet hatte, war die fremde Frau bereits mit ausgreifenden Schritten unterwegs. Der Pilot klappte den Sitz zurück und Morgan quetschte sich hindurch und sprang in das Gras. Im Gegensatz zur kühlen Luft des Flugzeuges herrschte hier draußen die feuchte Hitze des Amazonas. Um die Mittagszeit flirrte die Luft und war schwer zu atmen, es schien als würde sie weniger Sauerstoff enthalten.
Betty folgte als nächste und Morgan bot der älteren Frau eine Hand an, als diese aus dem Flugzeug glitt. "Danke," lächelte Betty, "Mein Gott, wenn Joe mir vorher gesagt hätte, dass wir drei Stunden lang in diesem winzigen Ding fliegen müssen, dann wäre ich heute noch in Florida! Ich hatte solche Angst!"
Morgan lachte und schenkte der Frau eine beruhigende Umarmung, "Sie hatten allen Grund zur Angst. Diese ganzen Turbulenzen, Sie hatten großes Glück, dass Ihnen mein Mittagessen nicht in den Schoß gefallen ist!"
Bettys Ehemann Joe kam um das Flugzeug herum, "Also ehrlich, ihr Mädels, ich dachte Frauen sollen in Wirklichkeit heutzutage das stärkere Geschlecht sein. Hölle, so schlimm war es doch gar nicht," grummelte er vor sich in. Morgan gefiel Joes Art, mehr als nur einsilbige Wörter zu verwenden.
Betty jedoch gab ihrem Mann einen freundschaftlichen Stoß in die Rippen und wandte sich wieder Morgan zu, die gerade ihre Tasche vom Piloten entgegennahm. "Er ist in Vietnam Helikopter geflogen, daher ist er es gewohnt, sich den Hintern auf dem Boden platt zu sitzen ," erklärte sie. Zu ihrem Mann gewendet lachte sie, "Und ich bin ziemlich abgebrüht, wenn ich es schon dreißig lange Jahre mit dir aushalte!"
Morgan folgte den anderen und genoss das freundliche Geplänkel der Harrisens, während ihre Augen voller Interesse über die Siedlung Los Amazonos wanderten. Sie war wirklich am ersten Eindruck ihrer neuen Umgebung interessiert, aber sie musste auch zugeben, dass sie eigentlich nach der großen, dunkelhaarigen Frau Ausschau hielt, die ihre Führerin werden sollte.
Von Carlos Hütte aus beobachtete Kris die Gruppe mit ausdrucksloser Mine. Ihre Augen hingen an der kleinen Frau mit den erdbeerblonden Haaren. Sie schien ein wenig steif vom Flug zu sein, dennoch ansonsten relativ fit, wie sie zugeben musste, als sie ihren Blick über die Gestalt des Neuankömmlings gleiten ließ. Nett. Etwas jung vielleicht, um ein Doktor der Wissenschaft zu sein. Natürlich, jeder der einigermaßen fähig war oder erfahrener, würde zu Hause geblieben sein und für sich Karriere machen, statt sich der Feldforschung zu verschreiben. Diese Art von Arbeit war nur etwas für Studenten. Kris seufzte, Mist, ich hoffe, sie gehört nicht zu diesen Grünen oder diesen Fanatikern, die die Welt retten wollen, indem sie ihr Leben dem Studium von Erdwürmern widmen.
Carlos kam mit einer Decke um die Schultern heraus und trat neben Kris. "Diese Kleine da, sie ist hübsch," er grinste anzüglich.
Kris schnaubte, sie war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass der gutaussehende und flirtende Carlos glücklich verheiratet und ein loyaler Mann war. Er hatte nur immer das Gefühl, dass er sein Latinoblut verraten würde, wenn er das Spiel nicht mitspielte. Kris beschloss, sich darauf einzulassen. Mit einer Bewegung, schnell wie der Blitz, schoss ihr Arm hoch und ihre Hand schloss sich mit festem Griff um seine Kehle. Sie drehte sein Gesicht so, dass sie in seine überraschten Augen sehen konnte und warf ihm ihren einschüchternsten Blick zu, "Sie gehört mir," flüsterte sie leise mit einem Hauch Ärger, "Fass... sie nicht an." Carlos schluckte hart und Kris hielt ihn noch eine Sekunde länger fest, bevor ein strahlendes Lächeln ihre weißen Zähne leuchten ließ und sie ihm freundschaftlich die Wange tätschelte.
"Muttergottes! Kristinia Thanasis, tu das nie wieder! Du hast mich halb zu Tode erschreckt!"
Kris zuckte mit den Schultern und hob die Hände, während sie spielerisch zurück wich, "Was denn?!" fragte sie unschuldig. Sie drehte sich um und überließ Carlos seinem Vergnügen, ihren großen, schlanken Körper zu betrachten, während sie die Machete umlegte. Über die Schulter gewandt, sagte sie, "Ich muss mit Fernando reden." Dann war sie gegangen. Carlos schüttelte den Kopf und war froh, dass Kris in ihm einen Freund sah. Er hasste den Gedanken, sie zur Feindin zu haben, weil er den leisen Verdacht hatte, dass alle Gerüchte über sie wahr sein könnten.
**********
Morgan entdeckte die Frau von ihrer Unterkunft aus, als diese hinüber zum Hauptgebäude ging, wo der Speisesaal und die Küche waren. Sie sah, wie sie den kleinen, rundlichen Besitzer, dessen Name Fernando war, umarmte und sich dann neben ihn an die offene Bar auf der Veranda setzte. Sicher war er nicht ihr Ehemann! Morgan wandte sich ab, aus irgendeinem Grunde, den sie nicht erklären konnte, war sie ein wenig verärgert, dass diese Frau den Männern hier so viel Freundschaft entgegen zu bringen schien.
Die Hitze war schrecklich. Ihre Kleidung hing feucht an ihr und rieb unangenehm. Sie packte Shorts aus und zog ihre Bluejeans aus. Es ist sowieso Zeit, sich zu zeigen, dachte sie und zerrte das Hosenbein über die Schiene an ihrem rechten Unterschenkel. Es war nicht, weil sie etwas gegen die Schiene gehabt hätte, nach sieben Jahren hatte sie gelernt, sie zu akzeptieren, aber sie hasste es, wenn die Leute zu höflich waren, um sie direkt zu danach zu fragen. Sie seufzte, zog ihre Shorts über die muskulösen Beine und ein T-Shirt über ihren flachen, festen Bauch. Die Kleidung war kühl und konservativ genug, um die meisten ihrer Narben zu verdecken.
Sie hörte, wie die Harrises aus dem Bungalow neben ihrem kamen. Sie waren alle von Fernando eingeladen worden, einen Nachmittagsdrink auf der Veranda zu nehmen. Morgan schaute sich noch einmal um, um sicher zu gehen, dass alles ordentlich verstaut war, so wie Fernando es ihnen geraten hatte, nachdem er sie begrüßt und zu den Bungalows geführt hatte. Er hatte erklärt, dass die Affen sich sonst die ihnen genehmen Dinge einfach holen würden. Wie war der Witz, den Fernando gemacht hatte? Irgend etwas mit Affen, die pünktlich um fünf Uhr eintreffen würden... Morgan lächelte und machte sich in Gedanken eine Notiz, ein Foto von ihrem Bungalow für ihre Familie zu Hause zu machen. Er bestand aus einem Grasdach auf drei hohen Pfosten. Es gab eine schmale, umlaufende Veranda mit einer Hängematte und dahinter ein Zimmer mit zwei einzelnen Betten unter Moskitonetzen, einen Holztrog und hinter einer Graswand gab es eine Dusche, aus der kaltes, bräunliches Wasser tröpfelte und eine Toilette von zweifelhafter Konsistenz. Neben dem Trog standen drei alte Whiskeyflaschen, gefüllt mit frischem Wasser. Die Wände des Bungalows waren nur etwa zwei Meter hoch. Der Rest war offen und gestattete der Luft hindurch zu zirkulieren.
Zufrieden, dass alles vernünftig weggepackt war, schloss Morgan die Tür und ging die Treppe des Umganges hinunter. Sie wusste ohne hin zu sehen, dass diese klaren, kalten Augen auf sie fixiert waren. Sie konnte sie spüren, als würde ihr ein eisiger Tropfen den Rücken hinunter rinnen. Sie zwang sich aufzublicken und den Kontakt herzustellen, während sie hinüber lief, um sich den anderen anzuschließen.
Berkler hatte Fernando an der Bar in die Ecke gedrängt und redete auf ihn ein, Betty und Joe bestellten ihre Drinks beim Barkeeper. Die dunkelhaarige Frau sprang über das Verandageländer und kam ihr auf halbem Wege entgegen. So nahe, dass Morgan einfach in diese Augen sehen musste. Die Frau war mindestens einen Kopf größer als sie selbst. "Wir müssen reden," sagte die größere Frau und schaute missmutig auf Morgan herab.
Jetzt, da sie diese Frau zum ersten Mal aus der Nähe sah, realisierte Morgan, dass sie wohl um einige Jahre älter als sie war. "OK," stimmte Morgan zu und folgte der sich bereits entfernenden Gestalt. Die Frau ging auf ein großes Grasgebäude mit einem konischen Dach aus Zweigen zu. Sie hielt mit einem Arm die Türe auf und wartete, dass Morgan eintrat. Das Innere war eine Art rustikaler Konferenzraum, mit hölzernen Bänken und einem kleinen Labor. Wie in allen diesen Häusern, roch es ein wenig muffig und stark nach feuchtem Betonfußboden.
"Die Universität benutzt diese Einrichtung als Feldlabor. Sie können gerne die beschränkten Möglichkeiten während Ihres Aufenthaltes hier nutzen. Setzen," kommandierte die Frau.
"Bin ich ein Hund?" fragte Morgan und ihr Gesicht verfärbte sich, während in ihren grünen Augen ein plötzliches Feuer aufloderte. Der Mund der Frau kräuselte sich ein wenig, wie ein angedeutetes Lächeln und intensive, blaue Augen betrachteten sie von oben bis unten. Morgan hielt sich zurück, "Nein, das sind Sie nicht," sagte die ältere Frau mit leiser, gefährlicher Stimme. "Bitte nehmen Sie Platz, Ms. Andrews. Ich bin Thanasis, Kris Thanasis." Die ältere Frau hockte sich auf eine Bank und plazierte ihre Beine auf der vorderen Reihe. Sie hob eine dunkle Augenbraue und Morgan verbiß sich ihren Zorn und setzte sich hin.
Morgan hielt dem Blick stand und sagte sehr bestimmt, "Das werden Sie nicht tun."
Die Frau schaute sie irritiert, dann überrascht an, "Was werde ich nicht tun?"
"Sie werden nicht sagen, dass ein Krüppel nicht in den Regenwald gehört. Und wenn Sie es doch tun, dann werde ich Sie zur Hölle schicken," sagte Morgan und Wut färbte ihre Wangen.
Die Augenbraue wanderte wieder nach oben. "Nein. Nein, das wollte ich eigentlich auch nicht," erwiderte Kris mit mühsamer Kontrolle. "Wenn Sie versuchen wollen, mit dieser Schiene zu laufen, dann ist es Ihre Entscheidung und Sie müssen mit den Konsequenzen leben. Für mich stellt es nur eine weitere Komplikation dar, das ist alles."
"Ich bin keine Komplikation, Ms. Thanasis," grollte Morgan.
"Das wird sich noch herausstellen. Nach welcher Art Flora suchen Sie denn hier draußen?" fragte die dunkelhaarige Frau und ihre eisblauen Augen hielten Morgans Blick fest.
Morgan zögerte. "Das werden wir besprechen, wenn wir in dem entsprechenden Gebiet sind."
Die Augen verengten sich. "Ich bin nicht an Ihren kleinen Geduldsspielen interessiert, Ms. Andrews. Ich will nur meine Zeit nicht damit vergeuden, in die falsche Richtung zu marschieren. Was glauben Sie, nützt diese Pflanze denn der Menschheit?"
Morgan hob eine Hand und schob sich das Haar zurück, "Das weiß ich erst sicher, wenn ich sie gefunden und getestet habe. Keine Sorge, Ms. Thanasis, alles was ich brauche ist ein Führer. Mit dem Rest komme ich schon klar."
Das kantige Gesicht verhärtete sich zu Stein und in den Augen tanzte Ärger. "Lassen Sie uns Ihre Theorie doch testen, sollen wir?" zischte Kris wütend und mit einer gleitenden Bewegung erhob sie sich und ging zur Hintertür. Sie drückte sie auf und hielt sie für die kleine Frau fest, die noch immer überrascht auf der Bank saß. Kris trieb es auf die Spitze, indem sie direkt Morgans Bein anstarrte, als diese sich verlegen auf die Füße zwang und mit grimmiger Entschlossenheit im Gesicht an der größeren Frau vorbei ging. Kris lächelte böse. Diesen Blick werde ich dir bald vom Gesicht wischen, du kleine starrsinnige Hexe, dachte sie.
Kris verschwand auf einem schmalen Dschungelpfad. Der Weg führte über einen unwegsamen und rutschigen Hügel und endete an einer Flussbank. Am Fuße des Hügel drehte sie sich um und beobachtete, wie Morgan sich behutsam herunter arbeitete. Mein Pech, dachte Morgan, glitschige, unwegsame Hügel sind das einzige, was schwierig ist für mich! Sie stieg seitwärts über eine tiefe Furche und verlagerte ihr Gewicht, um ihr geschientes Bein nachzuziehen. Gerade als sie soweit war, rutschte ihr Fuß auf dem modrigen Gelände fort und sie stolperte vorwärts.
Harte, doch warme Arme griffen sie aus der Luft und zogen sie an Kris' Körper. Die größere Frau hatte im Bruchteil einer Sekunde die Distanz den Hügel hinauf zurückgelegt, um Morgans Fall aufzuhalten.
"Halt dich fest," instruierte sie die überraschte Ärztin und sprang mit Morgan in den Armen in einem Salto wieder auf den Strand zu. Hier setzte sie die Füße der kleineren Frau wieder auf festen Boden.
Morgan stand stocksteif. Sie war wütend auf sich selbst und ein wenig schwindelig von dem Sprung, ein Arm hielt sich noch immer vergessen am Unterarm der Frau zur Unterstützung fest. Stille. Schließlich nahm Kris die kleinere Frau bei den Schultern und drehte sie herum, so dass sie sich gegen den Körper der größeren Frau lehnen konnte. Über Morgans Schulter hinweg zeigte sie mit ihrem langen Arm auf das brackige Wasser des Flusses.
"Dort. Siehst du sie? Stachelrochen. Gefleckte. Hier kann man aber auch einfarbige finden."
Morgan drehte ihren Körper und schaute Kris eine lange Zeit in die Augen. Hier draußen, nur ein paar Meter tief im Dschungel, hatten diese Augen die Farbe des klarsten, reinsten Himmels angenommen. "Ich bin gestürzt," stellte sie voller Bitterkeit fest.
"Ich habe dich aufgefangen," sagte Kris sachlich. "Das ist eine weitere Komplikation. Aber wie du gesehen hast, komm ich damit zurecht. Und du? Kannst du dir helfen lassen oder wirst du starrköpfig bleiben und hinstürzen, wenn ich nicht in der Nähe sein kann?" fragte sie herausfordernd.
Morgan drehte sich um und beobachtete die farbigen Körper der Stachelrochen, die elegant im Wasser ihre Bahn zogen. Plötzlich schoss einer von ihnen vorwärts und ließ nur noch eine schlammige Wolke hinter sich zurück. "Sie können sich wirklich schnell bewegen, wenn sie wollen," erkannte sie.
"Ja," antwortete Kris hinter ihr stehend. Schweigen. Dann eine überraschende Entscheidung, "Willst du nicht den Drink ausfallen lassen und mit dem Boot ein wenig flussabwärts paddeln?"
Morgan wandte sich mit neugierigen, grünen Augen um und erforschte die blaue Tiefe, "Das würde mir sehr gefallen," erwiderte sie leise.
Kris nickte ernst und ging, um ein etwa 4 Meter langes Boot vom Strand in das teefarbene Wasser zu schieben. Sie hob ein handgefertigtes Paddel aus dunklem Holz auf, dessen Blatt die Form einer Pikkarte hatte. Sie drehte sich um und traf auf Morgans Augen, dann reichte sie ihr eine Hand, um der kleinen Ärztin beim Einsteigen zu helfen und sie im Boot bis zu einem rauen Holzbrett, das als Bank diente, zu führen. Morgan zögerte eine Sekunde, dann lächelte sie und legte ihre Hand in die der starken Frau und gestattete ihr, ihr Balance zu geben, bis sie beim Sitz angekommen war. "Du bist mit mir im Arm und mit einem Salto zum Ufer heruntergesprungen," sagte Morgan und schüttelte ungläubig den Kopf, während ihre Führerin das Kanu tiefer ins Wasser schob und sich rasch an Morgan vorbei über die Reling schob und ihren Platz im Heck einnahm.
"Das ist eine Fähigkeit, die heutzutage nicht mehr sehr oft erforderlich ist," erwiderte die Führerin trocken. Morgan schaute über ihre Schulter auf die kräftige Frau, entdeckte das Funkeln in deren Augen und lachte. Dann drehte sie sich herum und ließ Kris sie mit leisen, kraftvollen Bewegungen den Fluss hinuntertreiben..
**********
Kris beobachtete das Ufer, während sie mit langen und gleichmäßigen Schlägen paddelte. Warum zur Hölle tat sie das?! Sie ärgerte sich über Morgans Launen und hatte eigentlich geplant, sie zu demütigen und sie dann mit dem ersten Flugzeug wieder nach Hause zu schicken. Stattdessen hatte sie ihre Haut und ihr Gesicht gerettet und ihr nun auch noch die Sightseeing Tour über den Fluss angeboten. Mist! Was ist bloß los mit dir, Thanasis?! Die Wahrheit war, dass ihr der Geist dieser kleine Ärztin irgendwie gefiel. Sie ließ sich nicht durch diese Schiene aufhalten und als es nicht funktionierte, hatte sie ihren Fehler ohne Entschuldigung zugegeben. Kris musste sich eingestehen, dass sie zögernd begann, Morgan zu mögen. Vielleicht würde der Job gar nicht mal so schlecht werden.
"Siehst du die Löcher in der Sandbank. Da ist zu dieser Jahreszeit wenn das Wasser niedrig steht das Nest von einem Grünen Königsfischer. Aber wenn die Regenzeit einsetzt, dann ist alles unter Wasser und dann nutzen es die Aale als Unterschlupf," erklärte Kris.
"Wie Untermieter, was? Das machen sie da, wo ich herkomme auch," bemerkte Morgan heiter, als Erwiderung hörte sie hinter sich nur ein Schnauben.
"Dieser kahle Baum mit den dunklen Früchten, die an den Zweigen hängen, nennt man einen Fledermausbaum. Die Früchte sehen aus, wie Fledermäuse, die an einem toten Baum hängen. Auf diese Weise lassen die Vögel sie in Ruhe." Weihte Kris sie mit einer knappen Erklärung ein. Sie glitten den Fluss entlang, meist in stillem Einverständnis, es sei denn, Morgan hatte eine Frage oder Kris gab ein paar Informationen in ihrer kryptischen Erklärungsweise preis. Die Dämmerung war schon hereingebrochen, als sie wieder am Ufer ankamen und Kris einmal mehr Morgan behilflich war, sich über den schmalen Rand des Kanu zu bewegen. Sie schob das schwere Boot weiter auf den Strand und dann reichte sie Morgan die Hand, um sie an Land zu geleiten. Sie ließ Morgan stehen und beschäftigte sich damit, das Boot und die Paddel ordentlich zu verstauen.
"Danke, das war großartig! Ich habe so viel gelernt!" sagte Morgan begeistert, ihre Augen weit offen vor Aufregung über all die erstaunlichen Dinge, die sie in so kurzer Zeit erfahren und gesehen hatte.
"Gut," erklärte Kris in geschäftsmäßigem Tonfall, "Weil der Grund, warum ich mit dir reden wollte ist dieser: ich kann dich erst in ein paar Tagen in die Dörfer führen. Fernandos regulärer Führer, Carlos, erholt sich gerade von einem Malariaanfall und so gehe ich ihm mit den Touristen zur Hand," beendete Kris mit finsterem Blick.
"Die Harrises sind keine große Herausforderung," erwiderte Morgan zuversichtlich und Kris schaute sie überrascht an. "Oh... ich meine... wäre es OK, wenn ich mich auch anschließe? Nur um die Zeit zu überbrücken, bis du frei bist?" Kris hob eine Augenbraue, dann nickte sie und drehte wandte sich dem Hügel zu. Sie sah Morgan an und bot ihr eine Hand an. Diesmal gab es kein Zögern, Morgan kam heran und erlaubte der starken Frau, sie den Hügel hinauf zutragen. Auf der Kuppe angekommen, ließ Kris sie rasch zu Boden gleiten und Morgan musste mit dem weiteren Weg alleine zurecht kommen. Auf halbem Wege durch den Busch legte Kris ihre langen Finger auf Morgans Schultern. Sich dicht vorbeugend flüsterte sie, "Sieh langsam nach oben, siehst du den großen Schnabel, der aus dem hohlen Baumstamm ragt? Das ist ein Toucannest."
"Toucans?" wisperte Morgan mit einem versteckten Kichern, "Wie auf den Fruitloops?"
Kris nickte mit dem Hauch eines Lächelns, "Ja, aber im wahren Leben sind sie keine so netten Vögel. Sie stehlen die Eier aus den Nestern der anderen Vögel. Dafür dient der lange Schnabel, damit plündern sie die Nester. Aber beim Fliegen ist es nicht sehr praktisch, Sie verlieren dauernd das Gleichgewicht und taumeln auf und ab." erklärte die große Frau mit der Hand demonstrierend. "Der Schnabel zieht sie nach unten."
Morgan nickte und die beiden gingen weiter den Pfad entlang. Kris war eine unerschöpfliche Informationsquelle, erkannte Morgan. Sie sprach Englisch ohne jeden Akzent, schien sich jedoch im Portugiesischen und Spanischen ebenso gut zurechtzufinden. Wer war sie? Außerdem war sie unglaublich stark! Morgan wusste von ihrer Ausbildung als Ärztin, das es nur wenige Athleten gab, die Ausdauer und Kraft genug besaßen, um derartige Saltos ausführen zu können und dabei noch jemanden festzuhalten.
Sie traten gerade aus dem Regenwald auf die Lichtung, als ein unglaublicher Lärm losbrach. Instinktiv trat Morgan einen Schritt näher an die große Frau heran. "Was ist das?" fragte sie.
Kris zuckte mit den Schultern, "Die Fünf-Uhr-Affen," erklärte sie sachlich. "Die Spinnenaffen haben gelernt, dass die Lichtung eine sichere Zone ist. Wenn also gegen fünf Sonnenuntergang ist, dann kommen sie aus dem nahen Wald und schlafen in den Bäumen bei der Siedlung. Das bietet ihnen in der Nacht Schutz vor ihren natürlichen Feinden, wie zum Beispiel dem Jaguar."
Morgan lauschte Kris' Erklärung, während die feingliedrigen Affen mit den langen Armen und Beinen durch die Baumwipfel schwangen. Sie schrien laut, stießen gegen Baumstämme, verfehlten manche Zweige oder prallten gegeneinander. "Große Güte! In den Tarzanfilmen hatten sie diese Probleme aber nie!" lachte Morgan.
Kris stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. "Ja, nun, im realen Leben, können die Dinge manchmal überraschend sein, besonders wenn man sich durch die Äste hangeln muss."
"Eine weitere Ihrer seltenen Fähigkeiten, Ms. Thanasis?" scherzte Morgan.
"Ich bin Kris," sagte die große Frau im Davongehen. Morgan beobachtete, wie die Frau anfing, mit raumgreifenden Schritten zu laufen, bis sie am anderen Ende der Landebahn verschwunden war. Sie schüttelte ihren Kopf.
Sie hatten, Dank Kris Thanasis kryptischem Verhalten und ihrer eigenen Dünnhäutigkeit, einen ziemlich schweren Start gehabt. Und doch fand sie sich, trotz der kurzen Zeit, zu dieser geheimnisvollen Frau hingezogen. Seltsam. Sie seufzte und ging auf die anderen zu, die bereits alle auf der Veranda saßen.
Als sie die Treppe hinaufging, spürte sie die Blicke auf ihr Bein mehr, als dass sie sie sah. Im Stillen stöhnte sie auf. Da wären wir also wieder. Vielleicht sollte ich eine Erklärung auf einem Pappschild um den Hals tragen! "Morgan! Wo sind Sie gewesen?! Kommen Sie und setzen Sie sich zu uns," sagte Betty und klopfte auf den Sitz neben sich auf der Couch.
Joe beugte sich jedoch von seinem Bambusstuhl nach vorne und berührte die Schiene an Morgans rechtem Bein. "Zur Hölle, Liebes, was ist Ihnen denn zugestoßen?" fragte er in seiner langsamen Art, sowohl Neugier als auch Besorgnis in der Stimme.
"Joe!" mokierte sich Betty mit schockierter Verlegenheit, "Vielleicht möchte Morgan lieber nicht..."
Morgan lachte und schenkte Joe einen warmen Blick voller Verständnis. Danke Joe, da kann ich es gleich hinter mich bringen, dachte sie. "Als ich im Studium war, habe ich mir den Unterschenkel bei einem Verkehrsunfall gesplittert," erklärte Morgan. "Es ist ein so großer Schaden angerichtet worden, dass ich nun diese Schiene als Unterstützung brauche, damit ich vernünftig stehen oder laufen kann." Morgan drehte ihr Bein ein wenig, so dass Joe sehen konnte, dass die Schiene entlang ihrer Wade bis kurz unter das Knie verlief. Breite Lederriemen fixierten sie am Bein.
"Nun, Liebes, ich hoffe, Sie hatten seine Autonummer!" grummelte Joe ehrlich wegen Morgan besorgt.
"Oh, ja," antwortete Morgan schlicht, während sie bitter dachte, und ob, ich hatte jede Menge Zeit dafür, als sie dreimal über uns hinweggefahren sind! Vielleicht gab ihr Gesicht zuviel von ihren Gedanken preis, Betty jedenfalls griff herüber und drückte kurz ihre Hand und Joe lehnte sich zurück und wechselte schnell das Thema.
Der Rest der Zeit bis zum Abendessen verging in freundlicher Konversation, vor allem weil Morgan die Harrises mit Fragen über ihre Familie und das Plantagengeschäft, das einer ihrer Söhne übernommen hatte, sowie die ständig wachsende Zahl ihrer Enkelkinder löcherte. Morgan fühlte sich wie in einem Humphrey Bogart Film, auf dieser Couch aus Bambus und Leinen sitzend und mit dem Blick über die Lichtung zu dem dunkler werdenden Regenwald wandernd. Der Himmel war tintenschwarz und mit hell leuchtenden Sternen betupft. Mit Vergnügen sah Morgan zum ersten Mal das Kreuz des Südens, das die Australische Flagge ziert. Die Nachtluft war kühl und trug den Duft von Erde mit sich und das Summen Tausender Insekten, deren Heimat am Amazonas war, schwirrte um sie her.
Julio, der Kellner, rief sie in den Speiseraum, einen großen Saal mit bespannten Wänden und einem hölzernen Dach. Drinnen waren Picknickbänke in einer Reihe aufgestellt, die als Esstische dienten. Voller Konzentration servierte ihnen Julio das Essen, Hühnchen, Bohnen und mehlige Kartoffeln von rosaroter Farbe. Feuerameisensauce war ebenso verfügbar und alle brachen in Gelächter aus, als Berkler sich ein Stück Hühnchen, mit einer großen Menge davon in den Mund schob mit der Bemerkung, er liebe scharfes, mexikanisches Essen. Morgan versuchte ein wenig davon und fand es sehr scharf, aber auch sehr sauer. Sie meinte, dass sie sich wohl an den Geschmack gewöhnen konnte, nicht jedoch an das Knacken der Insektenkörper darin.
Im Raum wurde es still und Morgan schaute auf, um die dunkelhaarige Frau hinter sich zu entdecken. Mit einer graziösen Bewegung nahm sie schweigend neben Morgan Platz und Julio eilte herbei um ihr das Essen zu bringen.
"Fernando," äußerte sie als Begrüßung.
Fernando sah vom Brotschneiden auf, ein erfreutes Lächeln auf dem Gesicht, "Ah, meine schöne Kriegerin erweist mir die Ehre!" Kris' Augenbraue schoss in mokanter Art nach oben und sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Essen zu.
Morgan mochte den Duft der Frau. Sie hatte sich eindeutig geduscht, nach ihrem Spurt und roch nach Seife und sonnengetrockneten Kräutern. Ihr Körper strahlte eine Wärme aus die für Morgan spürbar war, die nur wenige Zentimeter von ihr entfernt saß. "Morgan," unterbrach Joes Stimme ihre Grübeleien, "Was für ein Doktor sind Sie denn eigentlich?" Morgan ließ ihre Gabel sinken, "Nun, nach meinem... Unfall, war es klar, dass ich nicht lange genug würde stehen können, um auf dem Gebiet zu arbeiten was mich am meisten interessierte. So bin ich in der Forschung gelandet. Ich arbeite für eine Pharmaziefirma. Ich bin diese Art irrer Wissenschaftlerin, die man sonst in den Filmen sehen kann, in einem Labor voller sprudelnder Glaszylinder und Reagenzgläser! Normalerweise mache ich keine Feldforschung... aber dann kam dieser Auftrag... und... nun ja, ich brauchte einfach Abstand," erklärte sie. Ein Knoten formte sich in ihrer Brust und sie fand es schwierig, ihrer Stimme die nötige Heiterkeit zu verleihen. Aber davon schien niemand Notiz zu nehmen. Betty nutzte die Gelegenheit, um eine Geschichte zu erzählen, wie eine Freundin von ihr sich einer alarmierenden Menge von Schönheitsoperationen unterzogen hatte, um über den Tod ihres Mannes hinweg zu kommen. Morgan saß da und spürte die Wut und die Angst wieder in sich aufsteigen, als eine starke Hand für eine Sekunde über ihren Rücken strich. Morgan schaute auf die schweigende Frau neben sich, aber da war kein Anzeichen, dass diese sie berührt hatte, zu erkennen. Morgan stieß den kräftigen Arm kurz mit ihrer Schulter an und wurde mit einem raschen Blick und einem Lächeln von Kris belohnt. Am anderen Ende des Tisches beobachtete Fernando sie mit interessiert- traurigem Blick.
*********
Nach dem Essen verabschiedete sich Kris und verschwand. Für eine Weile saßen die verbleibenden fünf mit ihrem Kaffee auf der Veranda und erzählten. Berkler erklärte die Notwendigkeit des Holzeinschlages und wie die Firmen damit den unterentwickelten Nationen unter die Arme griffen. Morgan verbrachte ihre Zeit damit, angestrengt über ihre eigene Aufgabe nachzudenken.
Nachdem er in der Küche gegessen hatte, kehrte Carlos zu dem Gebäude, das als zentraler Anlaufpunkt diente, zurück und fand Kris, wie sie einen Rucksack packte. "Ich dachte du bleibst hier und hilfst mir aus?" fragte er überrascht.
"Das tue ich," murmelte Kris beschäftigt. "Ich habe beschlossen, dass ich zu Morgan ziehe."
Carlos Augen wurden groß. "Mein Gott! Kris, ich hatte ja keine Ahnung, dass du und sie... ich hätte doch nie..." sprudelte er hervor, bis Kris ihm das Wort abschnitt.
"Ich kenne sie nicht, Carlos, noch plane ich, über sie herzufallen, es macht einfach nur Sinn, in relativem Komfort ein wenig an einer funktionierenden Beziehung zu arbeiten, solange wir hier rumhängen müssen. Es ist immer blöd, wenn man erst auf dem Weg herausfindet, dass man nicht miteinander klarkommt," erklärte Kris desinteressiert vom Badezimmer aus, wo sie ihre persönlichen Sachen aus dem Regal zusammensammelte.
Carlos nickte zustimmend. Er hatte selber ein paar Exkursionen geleitet, wo die unterschiedlichen Persönlichkeiten hart aufeinander geprallt waren und es war miserabel gewesen. "Ich bin nur traurig. Ich hatte gehofft, die Nacht mit dir neben mir in der Hängematte zu verbringen. Ahhh!" Er stöhnte auf, als Kris ihm im Vorbeigehen einen Schlag in den Bauch versetzte.
Kris schaute ihn über die Schulter hinweg an, während sie den Rucksack über die andere Schulter hob, "Hab ich es mir doch gedacht," sie ließ ihren Blick langsam über ihn gleiten, "All das Gerede und Getue, arme Maria!" und damit verschwand sie durch die Tür.
Carlos lachte und schüttelte seinen Kopf. "Das ist eine, oh, oh, so schlimm!"
Als Morgan bei ihrem Bungalow ankam, fand sie eine flackernde Öllaterne auf dem Tisch gleich neben der Tür. Sie lächelte über den wohlbedachten Service und schaltete die Taschenlampe aus, die sie und die Harrisses während des Weges benutzt hatten. Es gab keine Elektrizität in dieser Gegend und der Generator versorgte vor allem die Hauptlodge für vier Stunden jeden Tag. Als sie eintrat, wäre sie beinahe aus der Haut gefahren, ihr Herz schlug ihr in der Kehle, bis sie realisierte, dass es Kris war, die unter einem der Moskitonetze auf der Liege lag. Sie trug Unterwäsche und las in einem Fliegerjournal. "Du hast mich zu Tode erschreckt! Ich wusste nicht, dass wir einen Bungalow teilen."
Kris schaute von ihrem Journal hoch. "Ja, ich bleibe hier. Das gibt uns die Chance, ein wenig Routine zu bekommen." Erklärte sie und kehrte zu ihrer Lektüre zurück.
Morgan nickte und wandte sich zögernd ihren Taschen zu. Schließlich seufzte sie. Auf der Wanderung würde Kris die Narben sowieso sehen. Da konnte sie es jetzt genauso gut hinter sich bringen, beschloss sie und zog ihr T-Shirt über den Kopf. Dann drehte sie sich um und setzte sich auf das Bett, um ihre Hosen vorsichtig über die Schiene zu streifen. Im Aufsehen traf sie auf blaue Augen, die sie anstarrten. "Kein schöner Anblick, hm?" sagte sie und sah auf die Narben hinunter, die kreuz und quer über ihren Oberkörper verliefen, während sie sich nach vorne beugte, um die Schiene abzunehmen.
"Du bist in guter Verfassung," beobachtete ihre Führerin, "Das macht es leichter auf dem Weg. Hast du irgendwelche inneren Verletzungen, von denen ich wissen sollte?" fragte Kris und hielt damit die Situation auf einem professionellen Level, weil sie Morgans Unbehagen spürte.
Morgan schüttelte ihren Kopf. "Nein, jetzt ist alles ganz gut verheilt," erwiderte sie, froh über Kris' Geradlinigkeit und Objektivität. Sie stand auf und ging zum Holztrog, der als Waschbecken diente. Sie goss Wasser aus der Whiskeyflasche hinein, putzte sich die Zähne und wusch sich, dann ging sie zu ihrer Liege.
Kris krabbelte unter ihrem Netz hervor und kam herüber. "Leg dich hin, ich stecke das Netz fest. Die kleinste Öffnung und diese Mistviecher fressen dich auf." Morgan schlüpfte unter das weiße Laken und Kris löste das Netz vom Haken unter der Decke. Sorgfältig stopfte sie alle Ecken unter die Matratze. Dann löschte sie die Lampe und ging zu ihrem eigenen Bett. Morgan konnte hören, wie die Federn quietschten, als sie sich hinlegte und wie anschließend ihr Netz festgestopft wurde. Stille. "Diese Narben auf deinem Bauch, die stammen von Kugeln, nicht wahr?" fragte Morgan.
"Ja," antwortete Kris offen.
"Ist irgend etwas dabei zu Schaden gekommen?" fragte sie weiter.
"Ich heile schnell. Es gibt keine Probleme," kam die Erwiderung.
"Kris?..."
"Ich habe ein paar Feinde," entgegnete Kris kurzangebunden.
Morgan verstummte. Diese Frau wurde für sie mehr und mehr zum Rätsel. Bevor sie sich für die Nacht verabschiedet hatte, hatte Fernando sie zur Seite genommen... Kleines, hatte er gesagt, du kannst dein Leben der Kriegerin anvertrauen, aber denke immer daran, dass sie gefährlich ist. Sei vorsichtig.
Was hatte er damit gemeint? Dass Kris Thanasis eine dunkle Vergangenheit hatte? Oder war da mehr?
**********
Das Frühstück war eine fröhliche Angelegenheit, mit viel Gescherze und Gelächter zwischen einer Gruppe von Fremden, die nun, durch die Natur der Isolation zu guten Freunden geworden waren. Sogar der geschäftsorientierte Berkler war ein wenig entspannter und erzählte von seinen reichen Erfahrungen mit seinen Kunden. Heute wollte Fernando ein Treffen mit der örtlichen Behörde für ihn arrangieren. Sie befand sich in einer kleinen Stadt, etwa Hundert Meilen nach Osten. Das aufwärmende Dröhnen der Piper Cub war schon zu hören, als sie das Frühstück beendeten.
Kris hatte nicht mit ihnen gefrühstückt. Als Morgan unter ihrem Moskitonetz aus ihrem heißen, stickigen Schlaf erwacht war, entdeckte sie, dass Kris schon gegangen war. Ihr Rucksack lag mitten auf ihrem ordentlich zurechtgezogenen Bett. Morgan hatte sich den Schlaf aus den Augen gerieben und versuchte den leichten Kopfschmerz und die Übelkeit, das Ergebnis des Jetlags und der überwältigenden Hitze, zu vertreiben. War sie wirklich erst vor zwei Tagen in Südamerika angekommen?
Sie zwang sich in eine sitzende Position auf dem Bettrand und griff automatisch nach ihrer Schiene. Ihre Hand stoppte auf halbem Wege. Die Plastikschiene war mit Baumwollstreifen umwunden. Wut kroch in ihr hoch, die jedoch schnell wieder schwand. Kris war die Expertin hier. Wenn sie der Meinung war, die Schiene bräuchte eine Umwicklung, dann sollte sie sie auch so verwenden. Und eigentlich machte es sogar Sinn. Das Material würde die Feuchtigkeit absorbieren. Sie hatte schon gestern bemerkt, dass die ansonsten recht bequeme Schiene feucht geworden war und bereits mittags schon auf ihrer Haut gescheuert hatte.
Dann entdeckte sie ein zusammengefaltetes Stück Papier, das unter eine Schnalle der Schiene geschoben worden war. Morgan hatte es herausgezogen und aufgefaltet.
'Wollte dich nicht wecken, wenn du so eine ruhelose Nacht hinter dir hast. Die Baumwolle wird verhindern, dass du dir das Bein wundscheuerst und dir so eine Infektion zuziehst. Klopf deine Schuhe aus, bevor du sie anziehst. Schreckliche Dinge, zum Beispiel die schwarzen Spinnen, übernachten gern darin.
Ich sehe dich nach dem Frühstück. K.'
Morgan folgte Kris' Anweisungen. Zum einen, weil sie erkannt hatte, dass es wert war, auf Kris zu hören und zum anderen, weil sie die geheimnisvolle Frau, die die Einheimischen 'die Kriegerin' nannten, wohl wenig beeindrucken würde, wenn sie es nicht tat. Bevor sie zum Frühstück ging machte sie ihr Bett und stellte ihre Tasche ebenso ordentlich in die Mitte darauf. Sie wollte ihrer Führerin damit eine Botschaft hinterlassen, dass sie schnell lernte und dass sie ihr ruhig eine gewisse Routine zutrauen könnte. War dies nicht genau der Grund, warum Kris hier eingezogen war?
Kris beendete ihren Lauf, strolchte durch die Küche und griff sich einen von den flachen Maiskeksen, die Fernandos Frau für das Frühstück gebacken hatte. Sie kaute darauf herum, während sie zu Morgans Hütte zurück ging. Morgan war natürlich schon fort, Kris hatte ihr Lachen aus dem Speisesaal gehört, als sie vorbeiging. Ihre Augen wanderten zu Morgans Bett und sie nickte zufrieden. Morgan hatte alles zu ihrer Zufriedenheit hinterlassen und die Baumwolle wurde offensichtlich auch benutzt. Als sie sich ihren eigenen Sachen zuwandte, fand sie eine Notiz, die Morgan auf die Rückseite ihres eigenen Zettels geschrieben hatte.
'Ich hoffe, ich habe dich nicht wachgehalten. Danke für deine Sorge um meine Sicherheit. Ich schätze deine Aufmerksamkeiten für Details und werde versuchen, mich daran zu halten, wenn wir auf der Wanderung sind. M.
PS: ich habe meine Schuhe sehr sorgfältig ausgeklopft! Keine Untermieter, Gott sei Dank!'
Kris lächelte und suchte in ihrer Tasche nach dem Waschbeutel und ging dann zur Dusche. Hinter dem Paravent drehte sie das Wasser auf und zog sich aus. In der engen Kabine hing noch der Geruch von Morgans morgendlichen Ritualen. Da war ein zarter Duft nach süßem Gras und Kräutern, der die Führerin berührte. Bisher funktionierten die Dinge ganz gut. Die nächsten Tage würden zeigen, ob Morgan eine Plage oder eine Hilfe auf der Exkursion sein würde. Bisher schien es sich, bis auf die Schiene, ganz gut zu entwickeln. Aber Kris machte sich Sorgen über den Ausdruck von Schmerz und Verwirrung, der in den Augen der kleinen Frau verborgen war. Emotionaler Stress war das letzte, was sie draußen im Regenwald gebrauchen konnte und Morgan lief ganz offensichtlich vor irgend etwas oder irgend jemandem davon und so, wie sie beim Abendessen reagiert hatte, verfolgte es sie bis in ihre Alpträume.
Kris trocknete sich ab. Sie hasste es, mit Unbekanntem klarkommen zu müssen. Und sie hasste Gefühle. Sie musste es einfach nehmen, wie es kam. Außerdem mochte sie Morgan, irgendwie. Das war überhaupt ein guter Anfang, beschloss sie, steckte ihr Hemd in die Shorts und zog den Reisverschluss zu. Dann setzte sie sich auf ihr Bett und zog Socken und ihre hohen Wanderstiefel an. Nachdem sie sich umgeschaut hatte, ob auch alles OK war, verließ sie die Hütte um sich, wie ein Kindermädchen, um die unerfahrenen Touristen zu kümmern. Christus, wie hat sich mein Leben verändert! Grübelte sie dumpf.
Die nächsten Tage erwiesen sich als außerordentliche Überraschung für Kris. Die Harrises stellten sich als glückliches und williges Paar heraus und die vier verbrachten jeden Tag unter Kris erfahrener Führung. Am ersten Tag fuhr sie mit ihnen im Kanu den Fluss hinunter. Auf dem Weg hatte sie ihnen eine Menge exotischer Vögel gezeigt, oder einen faulen Kaiman, der in der Sonne döste. Sie hatten über dem Bootsrand gelehnt und die Rochen beobachtet, die voller Grazie unter ihnen dahingeschwommen waren oder voller Staunen die Papageienschwärme über ihren Köpfen bewundert. Und Kris bemerkte, dass sie das Land durch die Augen dieser Menschen selber neu entdeckte.
OK, sie musste auch zugeben, dass sie sich selber ganz schön in Szene setzte. Zum Erstaunen der Harisses lief sie am Rand des Bootes entlang, sprang und tauchte in das braune Wasser und erschien ein paar Sekunden später mit einem Matamata von beachtlicher Größe in der Hand wieder an der Oberfläche. Vorsichtig legte sie ihn im Boot ab und benutzte dann ihre Arme, um aus dem Wasser wieder ins Kanu zurück zu schnellen. Dann erklärte sie der beeindruckten kleinen Gruppe, dass diese kleinere Schildkrötenart zu den Spezies auf der Erde gehörte, die sich im Laufe ihrer Entwicklung am wenigsten verändert hatten. Sie zeigte ihnen den lederigen Panzer und die süße, kleine Nase und dann ließ sie sie vorsichtig wieder ins Wasser gleiten. Morgan reichte ihr voller Bewunderung in den Augen ein Handtuch und das gab Kris das Gefühl, als wäre sie zehn Meter groß. Es war wirklich lächerlich, wie sie auf diese kleine Gruppe ahnungsloser Touristen reagierte!
Betty hatte sie sogar eine Heldin genannt! Mein Gott! Wenn diese Frau wüsste, von wem sie da geführt wurde! Es geschah später am gleichen Tag, als sie an einer Bucht angehalten hatten um zu schwimmen. Nach dem Essen wollte Joe sein Glück versuchen und fischen und Kris hatte ihm eine Angel gereicht und einen Grashüpfer als Köder gefangen. Joe zog kurz darauf einen zappelnden Fisch an den Strand, aber als er danach greifen wollte, war Kris von irgend woher aufgetaucht und schob seine Hände weg. Der zappelnde, orangerote Piranha biss in ihre Finger und sie musste seine Kiefer auseinander zwingen, um seine scharfen Zähne aus ihrem Fleisch zu ziehen. Nachdem sie ihn vom Haken befreit hatte, tötete sie ihn rasch. Blut tropfte von ihrer Hand. Plötzlich war Morgan mit dem Erste Hilfe Koffer erschienen, hielt vorsichtig Kris' Hand fest und legte einen Verband an. "Hey, es ist OK. Ich sprühe etwas darauf, um eine Infektion zu verhindern," sie zuckte.
Morgan schaute ungläubig auf. "Sehe ich aus, wie eine Ärztin, die zulässt, dass sich ihre Patienten selber infizieren, indem sie ihre Wunden mit Frostmittel behandeln?!" Am Ende musste sich Kris auf eine Ecke des Bootes setzen, bis Morgan die Wunde ordentlich desinfiziert und verbunden hatte. "Wenn es immer noch blutet, bis wir zurück sind, dann werde ich es mit ein paar Stichen nähen müssen," warnte sie und Kris hob ungläubig eine Augenbraue.
Danach hatte Betty ihre Führerin zur Heldin erklärt, auch wenn diese versucht hatte zu erklären, dass es sich bei dem Verbrecher um einen einzelnen, orangenen Piranha handelte, der selten angriff, es sei denn, er würde provoziert. Und dass er längst nicht so gefährlich sei, wie die kleineren grauen Piranhas, die in Schwärmen auftraten und selbst ein großes Tier binnen Minuten bis auf das Skelett abnagen konnten. Sie erklärte auch, bevor sie schwimmen gingen, dass sie das Wasser untersucht hatte, indem sie ein wenig Fleisch von ihrem Sandwich hinein geworfen hatte, um zu sehen, ob es die Aufmerksamkeit eines solchen Schwarms erregen würde. "Ich wusste, dass es hier einzelne Exemplare gibt, aber es war nicht gefährlich, bis Sie einen gefangen haben," sagte sie.
Bevor sie den Strand verlassen hatten, hatte sie sorgfältig den Fisch in der Kühlbox verstaut. An diesem Abend, beim Essen, hatte der Koch stolz Joe seinen Piranha als Appetitanreger serviert, sehr zur Freude von Kris' Gruppe. Sie hatten alle von dem dunklen, öligen Fleisch gekostet, sehr zufrieden mit ihrem Abenteuer, mit Piranhas zu schwimmen und sogar einen davon zu essen.
"Das war wirklich nett von dir, den Fisch für Joe mit zu nehmen," hatte Morgan später am Abend kommentiert, als sie endlich eine zögernde Kris soweit gebracht hatte, sie nach ihrem Finger sehen zu lassen. Kris wurde bei diesem Lob rot. Sie war nicht daran gewöhnt, als 'nett' bezeichnet zu werden. "Mein Gott! Sieh dir das an!" rief Morgan aus und rieb mit einem Finger über die Haut, die sich über dem Biss gebildet hatte. "Junge, du heilst wirklich schnell!" Kris hatte gegrinst und ihre Hand mit einem Hab-ich-dir-doch-gesagt-Gesicht weg gezogen.
Am zweiten Tag hatte Kris sie auf eine fünf Meilen Wanderung in den Dschungel hineingeführt. Während des Marsches hatte sie auf verschiedene Pflanzen hingewiesen und ihnen die Vögel gezeigt, die weit oben durch das Laub flogen.
Sie fing Insekten und zeigte ihnen sogar einen kleinen Elefantenkäfer, der seinen Namen von seinem langen Rüssel hatte, der sich hin und her bewegte. Sie hielten an einem großen Ameisenhügel an und beobachteten die Straße der Arbeiter, die Blätter wie Segel vor sich her in Richtung des riesigen Nestes trugen. Kris erklärte, dass sie diese Blätter zerkleinerten, um einen Nährboden herzustellen, auf dem ein Pilz wachsen würde, von dem sie sich ernährten und dass dies die einzige Nahrungsquelle für diese Ameisen sei. Müde und vollgestopft mit Wissen war die kleine Gesellschaft frühzeitig zurück gekehrt. Kris hatte nach Morgans Bein gesehen und war erfreut, dass die Baumwolle jegliches Scheuern zu verhindern schien, zumindest auf diesem einfachen Gang. "Habe ich die Musterung überstanden?" hatte Morgan ein wenig beleidigt gefragt.
"Ja," hatte Kris unverblümt geantwortet.
"Hättest du es abgelehnt, mich mit zu nehmen, wenn die Schiene gerieben hätte?" fragte Morgan.
"Ja," erwiderte Kris und sah in Morgans Augen. "Warum hast du Alpträume?" fragte Kris.
Morgans Gesicht verschloss sich. Sie stand ohne ein Wort auf und verschwand hinter dem Paravent. Eine Sekunde später hörte Kris, wie die Dusche angestellt wurde. Ich schätze, ich werde die Antwort nicht so bald heraus finden, seufzte sie.
Am letzten Tag der Tour der Harrises durch den Amazonas, führte sie Kris im Kanu flussabwärts. Sie zeigte ihnen die Schmetterlingsnester im warmen Sand und wo die Kormorane ihre Flügel nach dem Tauchen zum Trocknen aufspannen. Sehr zur Freude ihrer kleinen Gruppe brachte sie sie zu einem Wasserfall, der über mehrere Terrassen in die Tiefe schoss. Hier verbrachten sie die meiste Zeit des Nachmittages und rutschten die glatten Steine in das Becken am Ende des Wasserfalles hinunter.
Zuerst hatte Morgan am Rande des unteren Beckens gesessen, damit beschäftigt, den anderen zuzusehen. Hin und wieder war sie selber ins Wasser gestiegen, um sich abzukühlen. Ihre Schiene lag sicher am Ufer. Plötzlich war die große Gestalt der Kriegerin an ihrer Seite. "Willst du auch mal rutschen?" hatte sie gefragt. Morgan hatte ihr erklärt, dass sie ohne ihre Schiene nicht die Felsen hinaufklettern könnte und Kris hatte spielerisch in ihr Ohr geflüstert, "Ich weiß." Dann hatte sie eine überraschte Morgan hochgehoben, als wäre sie eine Puppe und war fröhlich den Weg hinauf gerannt, wo die Harrises warteten. Diese stürzten sich lachend den Wasserfall hinunter und waren bald mit vielen Spritzern verschwunden. Dann hatte Kris sich ins Wasser gesetzt auf den Platz zwischen ihren Beinen gewiesen. "Setz dich hierher, ich halte dich mit meinen Armen fest." Hatte Kris einer sehr nervösen Morgan erklärt, die sich schließlich zu Boden gleiten ließ und in den Schutz des starken Körpers der großen Frau schlüpfte. Nach einem kräftigen Stoß rutschten sie den Wasserfall hinunter, bis sie über die letzte Kante glitten und mit einem lauten Klatschen in das Becken tauchten. Der Tag war wirklich gut gelaufen, dachte Kris. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal... nun, ja... nur gespielt hatte. Es hatte sich gut angefühlt. Und es war eine überraschende Erkenntnis für Kris, dass sie Freude am Spielen hatte.
**********
An diesem Abend, nachdem Kris Gute-Nacht gesagt hatte, entdeckte sie, dass Joe ihr nach draußen gefolgt war. "Eh, hören Sie, Kris," sagte er und griff nach ihrer Hand, "Hier ist ein wenig von Betty und mir für diese großartige Tour. Sie haben sich wirklich selbst übertroffen und wir wissen das wirklich zu schätzen," lächelte Joe und tätschelte tatsächlich der konsternierten Kriegerin die Wange. Das Blut pulsierte durch Kris' Körper und ihre Hand krampfte sich um das Geld zur Faust.
Dann war plötzlich Morgan da und klopfte ihr gegen die Brust, "Hey, Kris, bevor du verschwindest, könntest du mir zu Hand gehen?" fragte sie und lächelte zwischen Joe und Kris hin und her.
Kris lächelte schwach zurück, "Sicher Morgan," presste sie hervor und hob ihre Hand um Joe das Geld in den Rachen zu stopfen. Zu ihrer Überraschung schloss sich Morgans Hand um ihre zitternde Faust.
"Das ist großartig! Komm mit!" blubberte Morgan fröhlich und zog Kris in die Dunkelheit. "Ich verabschiede mich morgen früh von Ihnen, Joe," rief sie über Kris' Schulter hinweg, während sie die große Frau mit sich zog.
"Sicher, Liebes," rief Joe, der Tatsache nicht gewärtig, wie nahe er davor gewesen war, von einer beleidigten Kriegerin niedergeschlagen zu werden.
Als sie in sicherer Entfernung vom Speisesaal und außer Sicht waren, fuhr Morgan herum und nahm Kris vorsichtig bei den Unterarmen. "Kris, was soll das? Ich habe es bis in den Speisesaal gespürt. Diesen schrecklichen Zorn... Was ist denn passiert?" fragte sie besorgt.
Kris zitterte noch immer vor Wut. Mit zusammengebissenen Zähnen fauchte sie, "Er hat mir ein Trinkgeld gegeben," sie öffnete ihre Hand und ließ die Scheine auf den Boden flattern. Morgan versteckte ihr Lachen, das in kleinen Glucksern kam, hinter der Hand.
"Das... ist... nicht... lustig!" erregte sich Kris mit einem rauen Flüstern.
"Kris, es ist OK. Er wollte dich nicht verletzen. Er hat nur nicht erkannt, dass du nicht bist, was du zu sein scheinst," erklärte Morgan freundlich und schüttelte sie. "Sieh mal, nimm das Geld," Sie bückte sich und hob es auf und drückte es Kris in die Hand. "Und sag Fernando, dass Joes es dir gegeben hat, damit er es unter den anderen aufteilen kann."
Kris zögerte einen langen Moment und nahm dann langsam das Geld. "Bist du jetzt OK?" fragte Morgan. Kris nickte schmollend. "Komm jetzt, ich brauche dich wirklich, damit du mir zeigst, wie man richtig packt," sagte Morgan, nahm Kris wieder beim Arm und zog ihre Führerin, einseitig die Konversation aufrecht erhaltend, mit sich zu ihrem Bungalow.
Mit einsilbigen, schroffen Worten instruierte Kris Morgan, wie sie ihre Sachen für solch eine Expedition am besten zu verstauen hatte. Und während Morgan packte, wieder auspackte und erneut packte, um alles an den rechten Platz zu kriegen, saß Kris auf ihrem Bett und nahm erst eine Handfeuerwaffe und dann ein Gewehr auseinander und reinigte sie. Morgan erkannte wohl, dass Kris kaum ihre Wut zügeln konnte. Sie versuchte, ihre Zunge im Zaum zu halten, aber sie konnte einfach nicht. "Kris, wir nehmen die aber nicht mit uns, nicht wahr?" fragte sie und versuchte, nicht missbilligend zu klingen.
Ein scharfer Blick aus blauen Augen. Hier brannte ein inneres Feuer, dass Morgan veranlasste, überrascht einen Schritt zurück zu treten. Lange, starke Finger strichen hungrig über die dunkle, metallene Oberfläche. "Doch, das tun wir," kam die bestimmte Erwiderung.
Morgan sank auf ihr Bett und versuchte, ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, bevor sie fortfuhr. Sie schluckte und ihre Augen glitten unwillkürlich zurück zu Kris, die beinahe zärtlich das Gewehr berührte.
"Ich... ich... mag keine Waffen," sagte sie.
"Ich ja," lautete die Antwort.
"Sind sie denn notwendig? Ich meine, du hast die letzten drei Tage auch keine Waffen getragen," argumentierte Morgan und strich sich mit einer zitternden Hand eine Strähne hinter das Ohr.
Kris schnaubte und stand auf, ihr Körper glühte vor Gewaltbereitschaft. "Wir gehen hier nicht auf eine Besichtigungstour für Touristen, Kindchen. Wir begeben uns in wirklich gefährliche Regionen. Und wir werden für eine sehr lange Zeit auf uns gestellt sein. Wenn du Angst vor Waffen hast, dann solltest du vielleicht keine Feldforschung betreiben," schnarrte sie.
Morgan stand ihr innerhalb einer Sekunde gegenüber, doch zu ihrer Überraschung wurde ihre Vorwärtsbewegung abgefangen und sie fand sich auf dem Rücken liegend auf Kris' Bett wieder. Kris rammte ihr das Knie in die Brust und hielt sie nieder, "Tu... das... nie... wieder!" brüllte die Kriegerin und stützte sich auf die kleine Blonde. Morgans Welt versank und sie fand sich in einer dunklen Nacht vor sieben Jahren wieder. Die Erde war nass von Schnee und Blut. Ihrem Blut und dem von Rick. Das Gewicht seines toten Körpers drückte sie auf den kalten Boden. "Morgan! Morgan!" hörte sie jemanden rufen, aber sie konnte nicht entkommen. Ihr Körper war zu sehr gebrochen und Rick lag direkt über ihr.
Einige Zeit später bemerkte Morgan warme, starke Arme, die sie hielten. Eine wundervolle, tiefe Stimme sang in leisem Spanisch in ihr Ohr. Mit Mühe versuchte sie, ihre Augen zu öffnen.
"Hey, bist du OK?" fragte Kris leise und schaute mit besorgtem Blick in Morgans Gesicht.
Morgan nickte und wischte sich mit zitternder Hand über ihr feuchtes Gesicht. "Ich glaube, du hattest eine Panikattacke oder so etwas. Bist du wirklich OK. Ich wollte dir nicht solche schreckliche Angst einjagen. Ich habe nur reagiert. Ich wollte dir nicht weh tun," versuchte Kris zu erklären und klopfte verlegen auf Morgans Schulter.
Morgan nickte und dann realisierte sie, dass sie in den Armen ihrer Führerin lag, die die kleinere Frau vorsichtig festhielt. Sie rutschte beiseite und setzte sich auf die Ecke des Bettes. "Ich bin OK, Kris. Es warst nicht wirklich du. Nicht, dass du einem nicht ziemliche Angst einjagen könntest, wenn du wütend bist!" fügte sie mit einem nervösen Kichern hinzu. "Es war nur, wie ein Flashback... für einen Moment... ich..." Morgan suchte nach einem Halt.
"Es war nicht nur ein Autounfall, nicht wahr?" fragte Kris unverblümt und legte eine Hand auf Morgans Arm. Abwesend griff Morgan danach und spielte mit Kris' langen Fingern, sehr zum Erstaunen der dunkelhaarigen Frau. "Nein, ich kannte diesen Spanier aus dem Medizinstudium. Wir waren einfach gute Freunde, weißt du," erklärte Morgan und sah Kris um Verständnis heischend an. Kris nickte. "Er war in einer Straßengang gewesen, aber er hatte sich gefangen und war wieder zur Schule gegangen. Jedenfalls, um es kurz zu machen, eine andere Gang hat ihn mit mir spazieren gehen sehen. Sie haben im Vorbeifahren auf ihn geschossen, dann haben sie gewendet und uns ... überfahren... ein paar mal. Es hatte geschneit und Rick lag direkt auf mir. Deswegen habe ich überlebt," endete sie und senkte den Blick. Sie erkannte, dass sie die ganze Zeit Kris' Hand gestreichelt hatte. Sie ließ sie fallen. "Ich werde besser fertig mit dem Packen," murmelte sie. Kris nickte, stand auf und ging.
**********
Kris stand gedankenverloren im frühen Morgengrauen. Eine Gruppe heulender Affen war in der Nähe und ihre Schreie hallten durch den Nebel der Berge wie ein stürmischer Wind durch einen Canyon. Sie hatte schlechte Laune. Sie war noch immer wütend über das Trinkgeld und verärgert über das, was letzte Nacht zwischen ihr und Morgan vorgefallen war. Es würde mit Sicherheit ihre Arbeitsbeziehung beeinflussen. Jetzt würde Morgan Angst vor ihr haben. Sie hat einen guten Vorgeschmack davon bekommen, wie gefährlich ich sein kann, dachte sie. Vielleicht war es das Beste so. Und dann war da noch der ganze andere Mist, mit dem Kris' pragmatischer Verstand klarkommen musste, zum Beispiel, dass Morgan ihren Ärger mit Joe gespürt hatte; und ihre eigene Wut darüber, dass sie versucht hatte Morgan zu töten, als ob es irgend etwas mit ihr zu tun hatte! Und dann gab es ja noch diese Nervosität und den ganzen Tumult, dass sie Morgan ebenfalls verärgern könnte. Sie schüttelte den Kopf, um die ganze Verwirrung loszuwerden und rannte los.
Morgan winkte dem Flugzeug zum Abschied hinterher, das die Harrises zu einer Tour durch die Anden brachte. Jetzt waren nur noch Kris und sie hier. Zumindest hoffte sie, dass das der Fall war. Sie hatte Kris seit letzter Nacht nicht mehr gesehen. Leise seufzend wandte sie sich um und prallte direkt gegen die Brust der besagten Kriegerin. In ihrem schwarzen T-Shirt und den kurzen Sporthosen, eng an dem muskulösen Körper anliegend und vom Laufen verschwitzt, sah sie aus, wie ein sprungbereiter und tödlicher, schwarzer Panther. Morgan quietschte überrascht auf und Kris trat augenblicklich einen Schritt zurück, ihre blauen Augen dunkel und wachsam. "Du hast mich halb zu Tode erschreckt!" schnappte Morgan, eine Hand auf der Brust.
Kris' Gesicht war steinstill. "Wie spät ist es?" fragte sie kühl.
Morgan schaute schockiert auf und fragte sich, ob sie die Konfrontation vermeiden sollte. Nein. Sag ihr die Wahrheit. "Du hast mir Angst gemacht, als du sagtest, du hättest Feinde. Jemand, der dich so hasst, dass er dich erschießen könnte. Es macht mir Angst, dass ich dir mein Leben anvertrauen muss, aber niemals vergessen darf, dass du gefährlich bist. Es macht mir Angst, wenn du mich zu Boden wirfst und mich fest hältst, als wäre ich nicht mehr als eine Puppe. Und es macht mir auch Angst, dass du diese Gewehre mitnehmen willst." Blaue Augen verengten sich zu Schlitzen und strahlten in eisigem Feuer. "Aber weißt du, was mir wirklich Angst einjagt, Kris?" Die blauen Augen sanken mit wachem Interesse in ihre. "Was mir wirklich Angst einjagt, ist die Tatsache, dass ich es vermasseln könnte und du mich nicht mehr führen willst." Blaue Augen weiteten sich verwirrt. Für eine Sekunde erwärmten sie sich beinahe, während das Schweigen zwischen ihnen hing.
"Ich bin die einzige Führerin, die die Gegend kennt, also bin ich dazu gezwungen. Wir brechen in zwanzig Minuten auf," lautete schließlich die Antwort der großen Frau. Sie drehte sich um und ging, sich umzuziehen und ihr Gepäck zu holen.
Morgan brachte ein schwaches Lächeln zustande, "Das... war verdammt knapp."