1.24 Der Eid des Hippokrates
Is There A Doctor In The House?
~ Besetzung ~
LucyLawless (Xena)Renee O'Connor (Gabrielle)
Ray Woolf (Marmax)
Danielle Cormack (Ephiny)
Ron Smith (Galen)
Andrew Binns (Hippocrates)
Simon Farthing (Democritus)
Tony Billy (mitoischer Krieger)
Harriet Crampton (Hysterische Frau)
Edith (Läufer)
Geoff Houtman (Mann mit Wundbrand)
Paul McLaren (Gefangenenanführer)
Adam Middleton (Blinder Soldat)
Charles Pierard (Thessalische Wache)
Deane Vipond (Mann mit Kopfwunde)
Stab:
Drehbuch: Patricia Manney
Musik: Joseph LoDuca
Schnitt: Jim Prior
Regie: T.J. Scott
Erstausstrahlung:
USA 29.07.96
BRD 23.03.97
~ Zusammenfassung ~
Xena und Gabrielle verschlägt es zwischen die Fronten des thessalisch-mitoischen Krieges. In einem Wald finden sie die schwer verwundete, hochschwangere Ephiny, deren Mann - der Zentaure Phantes - von einer der Kriegsparteien getötet wurde. Die beiden bringen Ephiny und den mitoischen General Marmax, den Xena niederstreckt, ehe er einen fliehenden Krieger töten kann, in einen thessalischen Tempel, der zum Lazarett umfunktioniert wurde. Dort befinden sich zwei Ärzte: Galen, der die Verwundeten gesundbeten will, und Hippokrates, der sich von Xena überreden läßt, etwas handfestere Hilfe zu leisten. Xena entpuppt sich als wahre Wunderärztin. Sie rettet viele Verletzte durch beherztes Zupacken und unterscheidet dabei nicht zwischen Thessaliern & Mitoern. Doch als Gabrielle von einem Pfeil niedergestreckt wird, kann auch sie der Freundin erst einmal nicht helfen. Die sterbende Bardin überträgt ihr Amazonenrecht auf Ephiny, die dadurch zu ihrer Nachfolgerin als Amazonenkönigin wird. Der Krieg geht derweil weiter. Xena hilft Ephiny bei der Entbindung ihres Zentaurenkinds (durch Kaiserschnitt!), während die mitoischen Angreifer dem Tempel immer näher kommen. Marmax - mittlerweile "reformiert" und angesichts des sinnlosen Sterbens vom blinden Kriegsrausch geheilt - befiehlt seinen Männern, die Kämpfe zu beenden, obwohl sie die Überhand gewonnen haben. Alles scheint ein gutes Ende zu nehmen - da stirbt Gabrielle. Xena weigert sich, dies hinzunehmen, wie von Sinnen schlägt sie auf die Brust der Freundin ein, beatmet sie immer wieder und beschwört sie unter Tränen, sie nicht zu verlassen. Das Unfassbare geschieht: Gabrielle erwacht zum Leben. Die Folge - und die Staffel - enden, als die beiden den Tempel verlassen und, noch ein bisschen wackelig auf den Beinen, neuen Abenteuern entgegengehen.
~ Übersetzung Titel & Disclaimer ~
Is There A Doctor In The House? - Ist ein Arzt im Haus?
Englische Redewendung. Bezieht sich auf die Suche nach einem Arzt z.B. im Publikum eines Theaters.
Disclaimer
Being that war is hell, lots of people were harmed during the production of this motion picture (but since television is a dramatic medium of make believe, all casualties removed their prosthetic make-up* and went home unscathed).
Weil der Krieg die Hölle ist, wurden viele Menschen während der Produktion dieses Films verletzt (aber da das Fernsehen ein dramatisches Medium der Fantasie ist, entfernten alle Opfer ihre "kosmetischen Prothesen" und gingen unversehrt nach Hause).
* "prosthetic make-up" ist eine Spezialeffekt Technik, bei der Körperteile nachgebildet werden, z.B. durch Abgusstechniken mit Gips, Wachs oder Latex. Besonders beliebt in Horrorfilmen, bei denen die echt wirkenden Prothesen entsprechend blutig zerlegt werden können.
~ Kommentar ~
Dr. Xena - Ärztin aus Leidenschaft:
1. Filmisches
Schon bei der Eröffnungssequenz sieht man, dass ein Regisseur mit Sinn fürs Kreative am Werke war. T.J. Scott hat schon bei Callisto mit ungewöhnlichen Kamerabewegungen gearbeitet. In der Anfangsszene geraten Xena und Gabrielle zwischen die Fronten, die man allerdings nicht sieht, sondern nur hört. Durch die Kombination des nebeligen Waldes und der Soundkulisse ergibt sich eine bedrohliche Stimmung auch ohne dass man ein kämpfendes Heer sieht, für das nebenbei bemerkt eine Fernsehserie selten das Budget hat. Ein schönes Beispiel wie man mit wenig Mitteln einen überzeugenden Effekt erschaffen kann. Ebenfalls aus Kostengründen wurden die ersten beiden Xena-Staffeln auf dem kleinformatigen 16 mm Film gedreht. Deshalb ist die Bildqualität nicht so toll und besonders bei Innenaufnahmen wie in dieser Folge sieht man das grieselige Filmkorn. Die kleinere Kamera erlaubt aber auch ein hohes Maß an Beweglichkeit, was wiederum ein Vorteil ist und gerade diese Episode ist ein Paradebeispiel dafür. So ergeben sich Szenen wie bei einer Live Reportage, aber auch die Möglichkeit ausgedehnter Kamerafahrten auf engem Raum.
Als Beispiel für den Einsatz einer Kamerafahrt nennen wir die Titelsequenz, kurz nachdem der Episodentitel erscheint und Xena den Tempel betritt. Die Kamera startet im hinteren Teil des Tempels, fährt über die Staue des Asklepios, zeigt wie Galen einen Patienten die Hand auflegt, fährt weiter an einem Verletzten vorbei und steuert dann auf Xenas Gruppe zu. Dadurch bekommt der Zuschauer in einer Einstellung einen Überblick über den Raum und das Lazarettgeschehen. Die Kamera fährt weiter um Xena herum, wird hinter ihrem Rücken etwas langsamer, so dass man in den Tempel blicken kann und schwenkt dann etwas schneller auf Xenas Gesicht. Dadurch wird der Anblick des Lazarettgewimmels, dass der Zuschauer einige Sekunden vorher gesehen hat auf Xena übertragen, d.h. man weiß jetzt dass Xena ebenfalls das gesamte Geschehen überblickt. Nun fährt die Kamera rückwärts und "zieht" Xena und Ephiny in die Mitte des Tempels. Durch die Kamerafahrt hat der Raum unsere Helden ins Lazarettgeschehen hineingezogen. Nicht alle Kameraspielerrein Scotts sind so auf die Handlung abgestimmt, aber diese Titelsequenz ist so gelungen, dass hätte der Altmeister solcher Techniken, Alfred Hitchcock, nicht besser hinbekommen.
Wie schon im Disclaimer ausgedrückt, ist dies die erste Xena Episode, die in die Nähe des Genres "guts and gore" geht. Übersetzt heißt dass "Eingeweide und Blut", aber einen angemessenen deutschen Ausdruck gibt es dafür nicht, da bei uns die Zensur in dieser Hinsicht besonders empfindlich ist. Auch diese Episode hatte mit den Fernsehzensoren zu kämpfen, was man an dem Erstausstrahlungsdatum sieht, das fast zwei Monate hinter der letzten Folge "Death Mask" liegt. In einem Interview hat T.J Scott gesagt, dass besonders Rob Tappert sich sehr für die vollständige Ausstrahlung eingesetzt hat, so dass am Ende nur wenige Szenen gekürzt wurden. Eine der geschnittenen Einstellungen hat gezeigt wie das Bein des Amputierten durch eine Fackel ausgebrannt wurde um die Blutung zu stoppen. Doch auch ohne härtere Schockeffekte schafft es Scotts spezifische Filmtechnik die Phantasie des Zuschauers in die entsprechende Richtung zu leiten. In der Amputationsszene sieht man wie die Kamera kurz zurückfährt, also quasi "Luft holt" und dann in zwei schnelle Zooms auf die Gesichter von Xena und dem verwundeten Mann fährt. Der Schlag wird mit zwei kurzen Schnitten angedeutet und danach zeigt die Kamera nur Xenas Mienenspiel. Besonders wenn Xena kurz schluckt und, so kommt es rüber, das Schwert aus dem Tisch zieht wird einem (empfindsamem) Zuschauer vielleicht auch ein wenig flau in der Magengegend.
Filmische Vorbilder für das Thema Militärhospital gibt es natürlich auch, besonders der satirische Film MASH (1970) aus dem später auch die gleichnamige Serie hervorging. Einige Einflüsse sind unverkennbar.
2. Mythologisches
Asklepios oder zu Deutsch Äskulap war der Sohn von Apollon und Koronis und wurde - man merke auf - durch eine Art Kaiserschnitt zur Welt gebracht, nachdem Apollon seine untreue Gattin umgebracht hatte. Er wurde zur Erziehung - man merke erneut auf - zu dem Zentauren Chiron gebracht von dem er die Heilkunst lernte. Darin wurde er so gut, dass er sogar Tote wieder zum Leben erwecken konnte, indem er das Blut der Medusa benutzte, dass er von Athene bekommen hatte. Als noch bewundernswerter galt seine Fähigkeit Glatzköpfigen wieder zu einer Haarpracht zu verhelfen. In Homers Illias ist er nur als "unvergleichlicher Arzt" beschrieben, wurde in späteren Erzählungen aber immer mehr zum Gott der Heilkunst erklärt. Ihm zu Ehren wurden Tempel errichtet, da er dort den Kranken im Schlaf erscheinen sollte um sie zu heilen. Genau wie in dieser Episode wird er als bärtiger Mann dargestellt, der sich auf einen Stab stützt, um den sich eine Natter schlängelt. Die Schlange war ein mystisches Tier, in dem man die Verjüngung durch Häutung und die Scharfsichtigkeit als Zeichen der Heilkraft sah. Dieser Äskulabstab ist auch heute noch ein Symbol der Medizin. Die Ärzteschule des Hippokrates sah sich selbst in der Nachfolge des Asklepius. An den Bezügen sehen wir, dass sich irgendeiner bei den Xena Machern viel tiefer in der griechischen Mythologie auskennt, als es bei dem ansonsten großzügigen Umgang mit Mythologie und Geschichte den Anschein hat.
Keine Hinweise haben wir über die Geschichte des Jägers und der Artemis gefunden, die Gabrielle dem verwundeten Marmax erzählt. Zwar gibt es Geschichten der Jäger Akaiton und Orion, doch die gingen meist mit dem Tod des Jägers aus. Zum einen war Artemis für die Fruchtbarkeit und Ernte zuständig, zum anderen wird sie häufig als grausam und rachsüchtig dargestellt, da reicht schon ein vergessenes Ernteopfer und man bekommt es wie Oineus mit dem monströsen kalydonischen Eber zu tun. Bei den Römern wurde Artemis als Diana auch zur Mondgöttin. Bei dem Wort "Mondgöttin" jubeln besonders die modernen weiblichen Esoteriker, die Artemis gleich zum Symbol ihrer Fraulichkeit gemacht haben. Vielleicht einer der Gründe, warum bei Gabrielle aus der blutrünstige Artemis eine vergebende Göttin wird, die dem männlichen Krieger den Weg zum inneren Frieden weist.
3. Historisches
Zwei bekannte Namen der Medizin geben sich in dieser Episode die Ehre: Galen und Hippokrates.
Galen oder Galenus von Pergamon lebte im zweiten Jh. v. Chr. und ist damit deutlich jünger als Hippokrates, der im vierten Jh. v. Chr. lebte. Eigentlich hätte Hippokrates in dieser Episode der ältere sein müssen. Auch war er nicht so deppert abergläubisch wie er hier dargestellt wird. Galen betrachtet die Anatomie als Grundlage der Medizin, also ganz wie Xena hier. Er führte Operationen durch und nahm an Tieren detaillierte Vivisektionen vor. Seine Theorien von der Viersäftelehre oder dem Fluss des Blutes aus der Leber bildeten eine Grundlage der Medizin bis ins 17. Jh. hinein, ehe die beginnende moderne Medizin viele seiner Theorien widerlegte. In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass der englische Arzt William Harvey 1628 ein Buch über die Entdeckung des Blutkreislaufs herausbrachte, dass im Widerspruch zu Galens Vorstellung stand und sich deshalb nur langsam durchsetzen konnte. Aber erst diese Entdeckung führte im weiteren Verlauf zur Methode der Herzdruckmassage in der Herz-Lungen-Widerbelebung, die Xena hier erfolgreich praktiziert. Ob das den Autoren bewusst war?
Hippokrates von Kos war der berühmteste Arzt der Antike und lebte zweihundert Jahre vor Galen. Durch seine wissenschaftliche Methodik gilt er als Vater der klinischen Medizin. Mit seinem Namen ist ein umfangreiches Schrifttum verbunden, die ca. 60 Bände des Corpus Hippocraticum, der allerdings nicht vollständig von ihm verfasst wurde. Darin werden von der Behandlung von Knochenbrücken und Kopfverletzungen bis zur Epilepsie verschiedene antike Heilmethoden beschrieben. Außerdem enthält er Ratschläge zur gesunden Lebensweise. Dass unser Xena-Hippokrates alles aufschreibt kommt also nicht von ungefähr.
Er begründete eine Ärzteschule und ließ der Legende nach alle seine Schüler einen Eid schwören, den bekannten Hippokratischen Eid (siehe Anhang am Ende der Seite).
4. Medizinisches
- Beim Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) wird chirurgisch ein künstlicher Ausgang der Luftröhre (Trachea) gelegt. Dies zählt zu den ältesten Operationstechniken überhaupt und ist schon in der hinduistischen Rigveda erwähnt.
- In der Wundversorgung wurden in der Antike tatsächlich Spinnweben zur Blutstillung eingesetzt. Angeblich unterstützen die langen Proteinfasern, sowie antiseptische Substanzen die Wundheilung. Galen hat über 100 verschiedenen Verbandsmethoden beschrieben, die er auch in der Versorgung von Gladiatoren einsetzte. Das Nähen von Wunden wurde schon bei den Ägyptern praktiziert. Ebenso ist das Ausbrennen eine alte Technik. Das größte Problem bei der Wundversorgung waren aber lange Zeit Infektionen. Denn wenn die Patienten nicht schon an der eigentlichen Operation starben, dann verstarben viele an den nachfolgenden Komplikationen. Erst Ignaz Semmelweis erkannte Mitte des 19 Jh. überhaupt die Bedeutung der Hygiene und einige Jahrzehnte später entwickelte der englische Arzt Joseph Lister um 1870 die antiseptische Chirurgie. Wir müssen deshalb die Vermutung äußern, dass viele von Xenas Patienten wahrscheinlich an Infektionen nach der Operation gestorben wären.
- Die Atemspende in Form der Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase Beatmung war ebenfalls in der Antike bekannt. Auch Hippokrates und Galen beschrieben solche Beatmungstechniken. Die mechanische Beatmung wurde aber erst von Vesalius im 16. Jh. beschrieben, der ein Schilfrohr in die Luftröhre (eines Tieres) einführte und so die Lungenbeatmung demonstrierte.
- Auch den Kaiserschnitt gab es schon in der Antike, wie unser Mythos der Geburt von Asklepius zeigt. Allerdings wurde dies nur bei sterbenden oder toten Müttern vorgenommen, meist aus religiösen Gründen um das Kind und die Mutter einzeln bestatten zu können. Bis in die Neuzeit war der Kaiserschnitt immer mit dem Tod der Mutter verbunden. Erst um 1880 nahm Ferdinand Adolf Kehrer den ersten lebenserhaltenden Kaiserschnitt vor, indem er den Schnitt nicht längs sonder quer führte und dann die Gebärmutter mit dem Bauchfellüberzug vernähte. Xena schneidet also in die falsche Richtung, aber eine Amazone überlebt wahrscheinlich auch das.
- Die Herz-Lungen-Wiederbelebung oder Kardiopulmonalen Reanimation (CPR) gibt es erst in der Neuzeit. Zwar war die Atemspende schon lange bekannt, aber die Herzmassage wurde in ersten Ansätzen erst im 19. Jh. beschrieben, nachdem, wie oben gesagt, erst im 17. Jh. der Blutkreislauf entdeckt wurde. Das Xena die Mund-zu-Mund Beatmung kennt und die Herzmassage zufällig entdeckt ist also richtig, wenn auch ein paar Schläge auf die Brust kaum für eine Widerbelebung ausreichen dürften. Die richtige Kombination aus Kopfhaltung, Mund-zu-Mund Beatmung und Herzdruckmassage geht auf den Österreich-Amerikaner Peter Safar zurück, der in den fünfziger Jahren die CPR entwickelte und auch die erste Intensivstation der USA einrichtete. In Fernsehserien kann die Herzmassage gar nicht richtig dargestellt werden, da dies bei lebenden Personen ziemlich gefährlich wäre; deshalb sieht man das in den allermeisten Fällen nur andeutungsweise bzw. mit viel zu geringem Druck. Bei einer richtige Herzdruckmassage können auch schon mal die Rippen brechen, was dann aber das kleinere Problem ist. Auch die Überlebensrate die die CPR in den Fernsehserien hat ist viel zu optimistisch. Schon wenige Minuten nach dem Herzstillstand kommt es zu irreparablen Hirnschäden und die Überlebensrate liegt bei unter 10%. Am besten eignet sich die CPR um die Zeit zu überbrücken bis ein Defibrillator eingesetzt werden kann. Wir empfehlen deshalb nachdrücklich jedem Leser den Besuch eines Ersten-Hilfe Kurses damit er lernt wie man so was richtig macht, und auch wenn es nicht allen Unfallopfern hilft, die denen es hilft freuen sich bestimmt.
5. Beziehungsmäßiges
Fangen wir im Anschluss an den vorherigen Abschnitt mit Xena und Galen an, in denen sich Chirurgie und Allgemeinmedizin gegenüberstehen. Wer schon länger mit Ärzten zu tun hatte bzw. längere Zeit im Krankenhaus verbringen musste, der kann die Animositäten zwischen den medizinischen Fachrichtungen noch im heutigen Klinikalltag spüren. Während die normalen Mediziner sich auch um Vorbeugung und Nachsorge bemühen und auch langwierige Heilungsprozesse unterstützen, sind die Chirurgen mehr die schnelle Eingreiftruppe. Eine heroische Operation und die Probleme sind ihrer Meinung nach im Prinzip gelöst. Vielleicht liegt das daran, dass die "ganzheitliche" Medizin jahrhundertelang der Standard war und Chirurgen mehr als Metzger denn als Ärzte galten. Erst in der Neuzeit und mit fortschreitender Wundversorgung konnte die Chirurgie ihre spektakulären und für Fernsehfilme besonders gut geeigneten Erfolge erzielen. So sind die Sympathien der Episode eindeutig auf Seiten Xenas. Nicht ganz so negativ, aber doch deutlich sieht man den Gegensatz auch zwischen Dr. Xena und Schwester Gabrielle. Für Xena sind die Verletzten bis kurz vor Episodenende nur Fälle. Der Mann mit dem Wundbrand wird vor die Wahl gestellt, entweder ein scharfer Schnitt oder Tschüss. Hingegen redet Gabrielle mit ihren Patienten und es ist auch ihre "Friedensbotschaft" mit der sie Mermax erreicht und das Ende des Krieges einleitet und damit viele Leben rettet. Der Friedensaufruf wird auch symbolisch in der Geburt des Zentauren dargestellt. Amazonen und Zentauren sind bei Xena unter anderem ein Beispiel für die Rassentrennung. Und dass das Kind halb weiß und halb schwarz ist, ist sicherlich kein Zufall.
In diesem Zusammenhang ist auch der religionskritische Unterton zu spüren, denn Mitoer und Thessalier berufen sich beide auf ihre Götter und es klingt schon an, dass es sich auch um einen Religionskrieg handelt. Besonders kritisch wird der naive Glaube an die Heilkraft der Götter dargestellt, besonders in der Szene in der Galen vor der steinernen Statute steht. Am Ende sind die Abbilder des Asklepius, wie auch andere Figuren stark beschädigt. Der Mensch muss sich also erstmal selber helfen. Das Galen am Ende Xena für eine Inkarnation Asklepius hält werten wir nicht nur als Satire auf die "Halbgötter in Weiß" sondern auch als Zeichen für den Humor der Serie, der diesmal in erster Linie zwischen den Zeilen zu spüren ist. Denn wer operiert schon im Kampfdress mit einem Brustdolch, ganz zu schweigen von der Geburt eines Zentaurenbabys.
Der stereotype Schurke der Woche fehlt in dieser Episode. Galens Probleme mit seinem althergebrachten Glauben sind durchaus nachvollziehbar und Ray Woolf als Mermax hat schon eine richtige Charakterrolle. Hippokrates ist eher eine Randfigur, die mehr den historischen Bezug herstellt und Democritus ist reichlich überflüssig und in seiner netten Schwärmerei für Gabrielle schon etwas peinlich. Aber zwischen den fünf Hauptdarstellern finden wir ein interessantes Beziehungsgeflecht, das deutlich komplexer ist, als bei den üblichen Xena Episoden der ersten Staffel. Es gibt keine der üblichen Haupthandlungen, wie der Kampf gegen den Oberbösewicht oder Rettungsmission oder eine Schatzsuche. Vielmehr laufen verschiedene kleine Parallelhandlungen nebeneinander ab, die miteinander verbunden sind, da alles in einem Raum stattfindet. Episoden dieser Art, die etwas von einem Theaterstück haben, finden wir auch später in X3.19 Tsunami, wo die Handlung im Rumpf einen Schiffes stattfindet oder in der Krimiepisode X4.19 Eine Leiche zum Dessert.
Die wichtigste Beziehung ist natürlich die zwischen unseren Heldinnen. Wir haben schon in frühere Kommentaren darauf hingewiesen, dass Gabrielle für Xena das Gewissen darstellt und für sie auch seit X1.01 Schatten der Vergangenheit einer der Gründe für ihren "Kampf für das Gute" als Buße für die Sünden der Vergangenheit ist. Mermax weist Xena darauf hin, dass sie Schuld an Gabrielles Tod ist, weil sie sie in die Krisengebiete mitgenommen hat. Dass Xena um Gabrielle weint liegt also nicht nur daran, dass sie gute Freundinnen sind (oder was auch immer), sondern es ist auch ein Kampf gegen die eigene Schuld. Das zeigt sich auch in der unterschiedlichen Darstellung des Todes der Freundin und der Reaktion darauf in X1.21 Einer für Alle und in dieser Episode. Als Xena gestorben ist, ist sie allein gestorben. Gabrielle hat ihren Tod mit Trauer, aber relativ gefasst aufgenommen, jedenfalls hatte man nicht den Eindruck, dass sie nicht auch ohne Xena weiter Leben könnte. Gabrielle hingegen stirbt hier im Kreise vieler Freunde und Xena, die coole Chirurgin, kann offensichtlich mit dem Tod der Freundin viel schlechter umgehen, oder anders ausgedrückt: sie wirkt ziemlich hysterisch. Besonders was Emotionen angeht zeigt sich Gabrielle als deutlich reifer. In späteren Staffeln verändern die Autoren das Konzept zwar und lassen auch Gabrielle ausrasten, und auch die ganze Friedensthematik wird über Bord geworfen werden, aber in den ersten beiden Staffeln ist ziemlich eindeutig wer auf dem Sektor der Gefühle und der innere Besonnenheit die Nase vorn hat. Für Xena wäre der Verlust deutlich schwieriger zu verkraften und die Warnung Gabrielles an Xena in X1.22 Die Furie nicht wieder ein Monster zu werden ist schon berechtigt. Darin liegt vielleicht auch der Grund warum in dieser Episode das übliche "Tod - Trauer - Doch nicht tot - große Freude" Spielchen, im Gegensatz zu anderen Episoden, sehr viel überzeugender und dramatischer wirkt.
~ Bildkommentar ~
Nebelig ist's im Walde und die Schlacht hört man nur. Spart Statisten und sorgt für eine düstere Atmosphäre. Naturfreunde sollten es dennoch genießen, denn mehr Grün gibt's in der Episode nicht zusehen. Das Marmax der Anführer ist, erkennt man angeblich an seinem Helm und seinem Schulterpanzer, oder einfacher an dem Geschrei das er veranstaltet.
Phantes aus X1.10 Die Amazonenprinzessin ist schon vor der Episode verschieden und auch die schwangere Ephiny hat's erwischt. Sie darf nur kurz zu einem der Standard-Xena Tempel humpeln und verbringt dann die Episode amazonenuntypisch im Liegen.
Asklepius steht am Anfang einer langen Kamerafahrt. Vor ihm verspricht Galen einem Kassenpatienten dass er natürlich alle notwendigen Behandlungen bekommt, z.B. das bewährte Handauflegen. Das kann auch die Kamera nicht mit ansehen und fährt weiter zu unseren Heldinnen...
...einmal herum geschwenkt und Xena weiß, dass in diesem Hospital fachärztliche Hilfe gefordert ist. Unsere Kamera freut sich, dass außer Verletzten und Quacksalbern auch mal Kompetenz ins Haus kommt und bittet alle herein.
Das ist Hippokrates, der bislang der Meinung war an einer Eliteuni zu studieren, ehe ihn Xena eines besseren belehrt. Doch er steht ja noch am Anfang seiner Karriere. Galen hat von Anatomie zwar keine Ahnung, besitzt aber einen hübschen Stab. Den darf Democritus immer halten, damit er wenigstens zu etwas gut ist. Denn außer Gabrielle nachzusteigen und sich anschießen zu lassen bringt er in dieser Folge nicht viel zu Stande.
Chirurgin Xena macht sich gleich an die Arbeit und schnippelt an den Patienten herum. Schwester Gabrielle ist für die Pflege und Nachsorge zuständig. Echte Teamarbeit eben.
Dr. Xena, schon in ansatzweiser heiliger Beleuchtung, steht vor einer unangenehmen Diagnose. Vorschriftsmäßig klärt sie den Patienten über die Risiken der Operation auf. Der ist mit allem einverstanden, denn was bleibt einem Kranken schon übrig, wenn man nur zwischen Quacksalbern und einer Kriegerin die Auswahl hat. Xena verwendet ihre altbekannte Akupressurtechnik zur lokalen Anästhesie, holt aus...
... und der wehleidige Patient schreit schon los bevor sie überhaut zugeschlagen hat. Na ja, kann man irgendwie dann doch verstehen. Selbst Xena schluckt kurz und zieht dann entschlossen das Schwert aus dem Tisch. Die Chirurgie ist halt nix für empfindsame Seelen.
Das ist Asklepius, der Gott der Heilkunde, der aber wie Jünger Galen nicht viel zur Heilung der Verwundeten beiträgt. Eine gewisse religionskritische Einstellung ist der Episode schon anzusehen, denn Handeln hilf hier mehr als Beten, vorausgesetzt man weiß wie man's macht. Das gilt natürlich nur für Ärzte, denn als Patient kann man damals wie heute eh nur noch beten.
Betäubung durch Akupunktur gibt's nur bei Amputationen. Bei einem simplen Kaiserschnitt reicht der beruhigende Anblick einer Kerze. Die Handlung ist so spannend, dass der Zuschauer sich erst hinterher bewusst wird, dass er gerade eine der abstrusesten Geburtsszenen der Fernsehgeschichte gesehen hat.
Keine Bange, Xena will sich weder einen Heiligenschein aufsetzen noch für Patientennachschub sorgen. Die Mitoer sind im kriegerischen Anmarsch, doch Marmax hat was gelernt und erklärt den Krieg kurzerhand für beendet. Dabei ist er noch nicht mal König, hat aber offenbar volle Kontrolle über die zehn Mann Armee, von denen die Hälfte vorher noch verwundet im Tempel lag.
Tragischer Höhepunkt: Gabrielle stirbt trotz Beatmungstechnik. Gott sei Dank sind wir im Fernsehen und da wirken ein paar Klopfer auf die Brust wie Wunder.
Die ansonsten immer coole Kriegerin ist am Rande des Nervenzusammenbruchs, doch noch ein paar Brustklopfer und Gabrielle erwacht wieder. Nicht Auszudenken was sonst passiert wäre mit Xena - und mit uns, den Staffel 2 ohne die Bardin wäre sicher nichts geworden.
Hippokrates hat sich alles notiert und beginnt schon mal mit seinen gesammelten Werken. Leider wird Xena in der Medizingeschichte nicht erwähnt, ein klarer Urheberrechtsverstoß. Wir sehen das aber nicht so eng, denn wir freuen uns über ein gelungenes Ende und den Schritt in die nächste Staffel.
~ Trivia ~
- Das ist neben X6.04 Blutrache eine der wenigen Xena Episoden ohne größere Kampfszenen.
- Die Drehbuchautorin Patricia Manney war die Frau des Xena Produzenten Eric Gruendemann und von Anfang an mit der Serie vertraut, was sicherlich zur Qualität der Geschichte beigetragen hat.
- In einem Interview wurde Danielle Cormack (Ephiny) gefragt, was das Peinlichste war, das sie in Xena spielen musste. Sie antwortete: "Ich habe einen Zentauren geboren, das ist ziemlich peinlich."
~ Anhang ~
Der Eid des HippokratesIch werde den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleich meinen Eltern achten, ihn an meinem Unterricht teilnehmen lassen, ihm wenn er in Not gerät, von dem Meinigen abgeben, seine Nachkommen gleich meinen Brüdern halten und sie diese Kunst lehren, wenn sie sie zu lernen verlangen, ohne Entgelt und Vertrag. Und ich werde an Vorschriften, Vorlesungen und aller übrigen Unterweisung meine Söhne und die meines Lehrers und die vertraglich verpflichteten und nach der ärztlichen Sitte vereidigten Schüler teilnehmen lassen, sonst aber niemanden.
Ärztliche Verordnungen werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.
Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben.
Rein und fromm werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.
Ich werde nicht schneiden, sogar Steinleidende nicht, sondern werde das den Männern überlassen, die dieses Handwerk ausüben.
In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat, besonders von jedem geschlechtlichen Missbrauch an Frauen und Männern, Freien und Sklaven.
Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgang mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.
Wenn ich diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst voranzukommen, indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne; wenn ich ihn aber übertrete und breche, so geschehe mir das Gegenteil."
Weltärztebund - Deklaration von Genf
mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
Ich werde meinen Lehrern die schuldige Achtung und Dankbarkeit erweisen.
Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.
Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.
Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod des Patienten hinaus wahren.
Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten.
Meine Kolleginnen und Kollegen sollen meine Schwestern und Brüder sein.
Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung.
Ich werde jedem Menschenleben von seinem Beginn an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.
Dies alles verspreche ich feierlich und frei auf meine Ehre.