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1.18 Die verlorene Tochter

The Prodigal

folge118

~ Besetzung ~

Lucy Lawless (Xena)
Renee O'Connor (Gabrielle)
Tim Thomerson (Meleager)
Willa O'Neill (Lila)
Alan Palmer (Pharis)
Steve Hall (Damon)
Kelly Greene (Derq)
Anton Bentley (Athol)
Barry Te Hira (Anführer der Straßenräuber)
Wally Green (älterer Fahrer)
Ashley Stansfield (Wache)
Stephen Walker (Bauer)
Margaret Conquest (Dorfbewohner)

Stab:
Drehbuch: Chris Manheim
Musik: Joseph LoDuca
Schnitt: Robert Field
Regie: John T. Kretchmer

Erstausstrahlung:
USA 04.03.96
BRD 02.03.97

~ Zusammenfassung ~

Nachdem Gabrielle bei einem morgendlichen Scharmützel mit Wegelagerern mitten im Kampf erstarrt, beschließt sie, Xena für eine Weile zu verlassen und nach Poteidaia zurückzukehren, um über ihre Zukunft nachzudenken. Zuhause angekommen erfährt sie, dass ihr Heimatdorf von einem Kriegsherrn und seiner Armee bedroht wird. Zum Schutz hat man einen "echten" Krieger engagiert: Meleager, den Mächtigen. Leider hält dieser nicht, was sein ihm vorauseilender Ruf verspricht: Statt an einen Beschützer sind die Dorfbewohner an einen mutlosen, ausgebrannten Trinker geraten, der samt seiner Entlohnung vorzeitig das Weite sucht. Gabrielle nimmt sich der Sache nun selber an und baut unter Zuhilfenahme der Dinge, die sie bei Xena gelernt hat, Poteidaia zu einer Festung um. Zuerst scheint ihr Plan auch aufzugehen, doch als am Ende alle Stricke reißen, taucht unverhofft Meleager wieder auf - nüchtern und bis an die Zähne bewaffnet. Er rettet Poteidaia und ist der Held des Tages! Gabrielle kehrt mit neuem Selbstbewusstsein zu Xena zurück, bestärkt in dem Wissen, dass ihr Platz an der Seite der Freundin ist.

~ Übersetzung Titel & Disclaimer ~

The Prodigal - Der Verschwender

Bezieht sich auf das Gleichnis "The Prodigal Son" im Lukasevangelium (Lukas 15.11). Im Deutschen wird das Gleichnis nicht mit "Der verschwenderische Sohn" sondern mit "Der verlorene Sohn" betitelt, obwohl beides auf den Inhalt zutrifft.

Disclaimer

Meleager the Mighty, the generally tipsy and carousing Warrior-For-Hire, was not harmed during the production of this motion picture.

Meleager der Mächtige, der üblicherweise beschwipste und zechende Auftragskrieger, wurde während der Produktion diese Filmes nicht verletzt.

~ Kommentar ~

Zweifel und Aufbruch
Es ist ein wenig rätselhaft, warum die Episode eigentlich "The Prodigal" heißt. Zur Erinnerung kurz das biblische Gleichnis (Lukas 15.11) vom verlorenen Sohn in der Kurzfassung: Ein Vater hat zwei Söhne. Der eine lässt sich sein Erbe auszahlen, geht in die Welt und verschwendet es mit Wein, Weib und Gesang - vorwiegend mit Weib. Als er nichts mehr hat, erkennt er seine Fehler, zeigt Reue und geht zurück zu seinem Vater. Dieser empfängt ihn freudig und lässt ein Fest feiern. Drauf beschwert sich der erste Sohn, der die ganze Zeit treu zu Hause geblieben ist und für den nie ein Fest gefeiert wurde. Darauf der Vater: "Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Es geziemte sich aber, fröhlich zu sein und sich zu freuen, denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden und war verloren und ist gefunden worden." Die Botschaft lautet also, wer gesündigt hat und reumütig in die Glaubensgemeinschaft zurückkehrt, dem wird vergeben werden. Das ist zwar ein netter Zug, aber was hat das mit dieser Episode zu tun? Denn Gabrielle verschwendet nichts und das Thema Schuld und Vergebung in diesem biblischen Sinn passt hier auch nicht rein. Selbst Meleager hat zwar Verschwendungsprobleme mit dem Alkohol, kehrt dafür aber nirgendwohin zurück. Am ehesten ergeben sich noch Parallelen zwischen den zwei Söhnen und den beiden Schwestern Lila und Gabrielle. Lila ist zuerst nicht übermäßig glücklich über die Heimkehr von Gabrielle, erkennt aber am Ende an, dass diese ihr Glück außerhalb des heimatlichen Dorfes suchen muss. Das würde dann auch ein klein wenig zur nächsten Episode "Altered States" passen, die von derselben Drehbuchautorin stammt, und in der das Wanderleben von Xena und Gabrielle vom religiösen Fanatiker als "sündig" bezeichnet wird. Dann wäre der deutsche Titel besser "Die verlorene Schwester" gewesen. Da dieses Thema aber eher am Rande vorkommt und die Dialoge dazu schon in der Nähe des Kleinkinder-Niveaus ablaufen, ist der Bezug zum Gleichnis eher unwahrscheinlich. Wir vermuten deshalb, dass es gar keinen biblischen Bezug gibt und der Ausdruck "The Prodigal" auf jeden angewendet wird der irgendwann mal von Zuhause weggegangen ist und mal wieder vorbeischaut.
Überhaupt wird das ganze Thema Gabrielles Rückkehr von der Figur des Meleager überlagert. In der griechischen Mythologie war Meleagros einer der Argonauten. Seine größte Heldentat war die Jagd nach dem Kaldydonischen Eber, einer Art Riesenwildschwein das die Felder Kalydoniens verwüstete. Nach der Jagd hat er dann noch ein paar Brüder seiner Mutter im Streit erschlagen und starb am Ende durch seine Mutter, die einen Holzscheit verbrannte an den sein Leben durch die Moiren geknüpft war. Schon aus diesen Stichworten wird klar, dass unser Meleager noch weniger mit der Mythologie zu tun hat, als die Episode mit der Bibel. Hier hat Meleager mal wieder eine Filmfigur als Vorbild: den alten versoffenen Revolverhelden (Lee Marvin) aus der Westernkomödie "Cat Ballou (1965)", der anfangs auch nicht die Erwartungen an seine Schießkunst erfüllt, die die hilfesuchenden Rancher von ihm erwarten. Da muss die gerade nach Hause zurückgekehrte Tochter des Ranchers (Jane Fonda) die Initiative ergreifen.
Einige Fans haben sich bitter darüber beklagt, dass Gabrielle die holde Xena verlässt um quasi eine Beziehungspause einzulegen. Wahrscheinlich mussten sich die Macher angesichts einiger übereifrigen Fans des Öfteren an den Kopf langen, was sie immerhin in späteren Staffeln zu einigen Fanparodien inspiriert hat. Wie wir schon im Kommentar zu der Episode X1.13 Die Erfüllung eines Traums erwähnt haben, entstehen Fernsehserien unter eine hohen Termindruck, so dass nicht immer alle Hauptdarsteller verfügbar sind. Zu dieser Zeit war Lucy Lawless auf einer US Werbetour und auf der Fachtagung einer Fernsehorganisation (NAPTE). Aber auch ohne Xena folgt die Episode der klassischen Struktur von Heldengeschichten. Wir werden jetzt zur Abwechslung etwas akademisch und verweisen auf ein bekanntes Buch für Drehbuchautoren "The Writer's Journey: Mythic Structures For Writers" von Christopher Vogler. Er unterteilt klassische wie moderne Heldengeschichten in 12 Stadien. Wenn man sich anstrengt kann man diese Struktur in vielen Xena Episoden und im übergreifenden Handlungsbogen für Gabrielle erkennen - na sagen wir mal zumindest teilweise. Nach seiner Klassifikation wäre Xena ein "Catalyst Hero", d.h. ein Held dessen Charakter sich nicht wesentlich ändert da er schon voll entwickelt ist, der aber dazu dient, dass sich ein anderer an ihm ausrichtet um seine eigene Entwicklung und Veränderung voranzubringen. Damit ist dann eigentlich Gabrielle die Heldin der Xena Serie, die dem Muster klassischer Heroengeschichten folgt. Die ganze Vogler'sche Litanei ist etwas zu länglich für unseren kleinen Kommentar, aber wir erwähnen die dritte Stufe der Heldengeschichte, die Vogler "Refusal of the call" nennt. Die meisten Helden rennen nicht blind ins Abenteuer, sondern zögern. Odysseus hat gar keine Lust in den trojanischen Krieg zu ziehen und muss dazu gezwungen werden, Spiderman wird erst durch den Tod seine Onkels zum guten Helden, Han Solo entscheidet sich erst im letzten Moment dazu Luke zu helfen und entgegen landläufiger Meinungen braucht es auch einiges bis Rambo loslegt. Dieses retardierende Moment in den Geschichten bringt uns Normalos den Helden etwas näher. Genau wie die meisten Menschen hat der Held Zweifel, er hat Angst vor grundlegenden Veränderungen und sieht die Gefahren der vor ihm liegenden Reise. Manchmal gebietet es auch die Weisheit es besser sein zu lassen. Nur ein dümmlicher Draufgänger rennt gleich los, für den wahren Helden braucht es gute Gründe. Erst schlimme äußere Umstände oder Nachdenken führt zum Aufbruch ins Abenteuer, auch wenn das Nachdenken in einigen Actionfilmen meist nur wenige Sekunden dauert. So ist es für Gabrielle ein Zeichen von Reife, dass sie nicht mehr nur Xena hinterherläuft sondern sich auch der Gefahren des Wanderlebens bewusst wird. Dies zeigt aber auch den großen Nachteil dieser Episode. Nach den bisherigen Folgen, insbesondere der Amazonengeschichte, kommt diese Überlegung etwas spät. Der Gesinnungswandel setzt auch sehr abrupt ein, nach einem für Xena Verhältnisse eher tagesüblichen Angriff. Die Autorin Chris Manheim hatte in der Anfangsszene, in der Gabrielle die Panflöte spielt, auch eine depressive Melodie im Kopf und nicht das lustige Trällerliedchen, dass kaum nach einer von Zweifeln geplagten Gabrielle klingt. Außerdem haben die Autoren das Problem, dass Gabrielle nicht zu heldenhaft werden darf da die Serie ja Xena heißt. Am Ende der Episode überlässt sie Meleager die Hauptarbeit, was den ursprünglichen Ansatz die Entwicklung von Gabrielle zu zeigen wieder entwertet. Dass sie am Ende über den gefährlichen Wagen springt, hätte man ihr eher abgenommen, wenn sie im Endkampf gegen Damon mehr Anteil genommen hätte. So wirkt die Episode etwas deplatziert und uneinheitlich um in die höchsten Wertungsstufen zu kommen. Ein Pluspunkt ist mal wieder der Witz, wie z.B. in der anzüglichen Zeltszene: "Oh, Meleager - Oh, the gods preserve me. No wonder they call you the Mighty!". Und auch Willa O'Neill als Lila hat ein paar gute Szenen. In Vergleich zu anderen Episoden ist das aber ein bisschen wenig.

~ Bildkommentar ~

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Gabrielle trällert ein Liedlein. Leider völlig asynchron zur Filmmusik. Xena erweist sich als wahre Freundin und hört sich auch das an. Die Anwohner sind weniger nachsichtig und lassen den Pfahlwagen rollen. Wir verstehen zwar Gabrielles gekränkte Künstlerseele, doch eigentlich besteht kein Grund zur Panik. Links und rechts des Weges wäre noch genug Platz zum ausweichen.
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Abgesehen von Gabrielles Panflötenkünste hätten sich die meisten weniger vor einem Wagen, als vielmehr von den ca. sieben finsteren Gestalten gefürchtet. Doch die sensible Gabby schlittert in eine persönliche Krise und tritt den Heimweg an. Sehr zum Leidwesen von Xena (und vielleicht auch Argo).
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Gabrielles Wirkung auf vorbeifahrende Wagen ist leider wenig erfolgreich. Ganz im Gegensatz zu ihrem Vorbild Claudette Colbert, die Clark Gable gerade zeigt wie man zu einer Mitfahrgelegenheit kommt. Chris Manheim wurde inspiriert von dem Klassiker "It Happened One Night (1934)".
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Gabrielle trifft alte Bekannte. Der alte Mann hatte sie schon in X1.01 Schatten der Vergangenheit mitgenommen. Diesmal reden sie über Sisyphos anstatt über Ödipus. Noch freut sich auch Lila über ihre verlorene Schwester.
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Meleager, der Mächtige erfüllt nicht ganz die Erwartungen der Dorfbewohner. Das gleiche Problem hatte schon Jane Fonda in der Westernkomödie "Cat Ballou (1965)". Lee Marvin bekam damals für seine Rolle den Oscar. Da kann der gute Tim Thomerson nicht ganz mithalten.
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Gabrielle erstarrt vor einem Wagen, bleibt aber locker flockig wenn sie ein Messer an der Kehle hat. Versteh einer die Frauen. Damon hat einen exquisiten Geschmack was Tattoos anbelangt.
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Die Kunst der Rhetorik scheint in Gabrielles Familie zu liegen. Es ist Lila die die Dorfbewohner zum Widerstand aufruft. Diese wehren sich mit Schaufeln und Sandsäcken. Dass man dazu das Geräusch von brechendem Glas hört gewähren wir dem Toningenieur als künstlerische Freiheit.
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Meleager holt seinen großen Speer heraus. Hoffen wir mal dass der Kleine des Statisten keinen Schaden genommen hat.
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Gabrielle zeigt durch einen olympiareifen Stabsprung was sie gelernt hat. Hatten wir das mit dem Platz links und rechts des Wagens schon erwähnt? Was soll's - Hauptsache Xena ist wieder da und das Abenteuer kann weitergehen.

~ Trivia ~